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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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komm bald bei euch allen vorbei. Geht jetzt. Geht nach Hause.«
    »He!«, rief ein Mädchen. »Meine Mutter will, dass Sie zu ihr kommen. Tun Sie das? Kommen Sie als Erstes zu uns?«
    »Verschwinde. Das kann er nicht, weil er zuerst zu uns kommt. Das hat er mir unterm Baum versprochen. Stimmt’s, Schornsteinfeger? Meine Mutter hat ihm Plätzchen gebacken und Palatschinken gemacht. Stimmt’s nicht? Sagen Sie ihnen, dass Sie zuerst zu mir kommen.«
    Der Schornsteinfeger seufzte. In der Hoffnung, sie wür den bald erschöpft sein, fuhr er durch das ganze Dorf. Von seinem Baum fuhr er an der Kneipe vorbei durch die Dorfmitteauf die andere Seite und wieder zurück. Er gab ihnen keine Antwort und sprach überhaupt nicht mehr mit ihnen, solange er auf dem Fahrrad fuhr. Doch die Kinder hatten viel Energie. Wenn sie gemusst hätten, wären sie bis ans Ende der Welt gerannt. Mit ihm Schritt zu halten fiel ihnen nicht schwer.
    Manche waren wahrscheinlich ohnehin zu klein, um zu wissen, was ein Schornsteinfeger war. Er kam zu dem Schluss, dass die Frauen dahintersteckten. Die, bei denen er gestern gewesen war, mussten die ganze Nacht mit dem halben Dorf telefoniert haben.
    Jetzt sprangen die Kinder fröhlich schreiend neben seinem Rad her, und dem Schornsteinfeger fiel es noch schwerer, seinen Ärger hinunterzuschlucken. Listig trat er die Kleinsten, in der Hoffnung, dass sie hinfielen und die anderen dann über sie stolperten. Mit dem Vorderrad fuhr er den älteren in die Fersen und zwei, drei streckte er so zu Boden. Die Kinder fanden das wunderbar, und kaum hatte er drei zu Fall gebracht, waren schon fünf andere an ihre Stelle getreten.
    »Oh! Ich als Nächstes, bitte, bitte!«
    Inzwischen hatten die Erwachsenen das Theater gehört und waren auf die Straße gekommen. Als sie ihn sahen, klatschten sie alle gleichzeitig.
    »Verfluchte Parade«, sagte der Schornsteinfeger zu einem Hündchen, das unter sein Rad geraten war. »Das ist das erste Mal.«
    Er wusste, dass das Glück schon drei Jahre lang fortgeblieben war. Sogar der Bürgermeister – der keine Gelegenheit ausließ, sich als Mann des Volkes zu zeigen – unterbrach seine Amtsgeschäfte, trat auf die Marktstraße hinaus und winkte und pfiff, als der Schornsteinfeger vorbeiradelte. Der Barbier, die Lehrer, Jung und Alt ließen alles liegen und stehen und kamen aus den Häusern, um ihn zumindestkurz zu sehen. Sie riefen ihn. Sie bettelten, dass er kurz zu ihnen herüberblickte.
    »Schau hierher, Schornsteinfeger. Hierher, hierher.«
    Der Schornsteinfeger blickte umher. Die Frauen, die sich am Randstein aufgestellt hatten, klimperten mit den Wimpern und winkten ihm zu. Er taxierte und kategorisierte sie. Die meisten tat er sofort ab. Sie sahen aus, als seien sie zum Äußersten entschlossen. Er wollte seine Ruhe.
    »Ihr seid fanatisch«, rief er ihnen zu, aber die Kinder schrien so laut, dass die Frauen ihn nicht verstanden. Sie lachten und nickten, winkten und klatschten. Angeekelt machte er mit dem Fahrrad kehrt und fuhr zurück auf den Hügel in Richtung Kneipe. Er trat heftig in die Pedale und hätte fast noch einen unglückseligen Köter überfahren. Er radelte, so schnell er konnte, den Hügel hinauf. Sein Herz hämmerte, aber er konnte die Kinder abschütteln, und als er bei der Kneipe war, versteckte er sein Fahrrad hinter dem Haus und schlich sich hinein. Er setzte sich an denselben Ecktisch, weit weg vom Eingang. Obwohl es früher Vormittag war, saßen überall Männer, die ihm zunickten.
    »Zum Teufel damit – ich fang morgen an«, verkündete der Schornsteinfeger.
***
     
    Ibolya stand am Tresen und wischte eine Lache verschüt tetes Bier auf. Sie hatte bereits von dem Besucher gehört. Der Töpferlehrling hatte ihr von ihm erzählt. Sie rechnete damit, dass er auf ein Glas hereinschaute, und hatte sich daher zurechtgemacht. Sie trug den Rock, der ihr am besten stand. Für die meisten Frauen ihres Alters war er zu kurz, aber den meisten Frauen fehlte Ibolyas Selbstvertrauen. Ibolya wusste, dass sie großartig aussah. Sie hatte sich sogar die Beine rasiert und die Zehennägel in einem frischen Rot lackiert.
    Sie sah zu dem kleinen Mann hinüber, der sie aus seiner Ecke gerufen hatte. Sie nickte und ging zu ihm. Er sah seltsam aus, zierlich, kein richtiger Lilliputaner, aber doch klein. Ein typischer Schornsteinfeger. Er trank an einem halbleeren Bier, das er beim Hereinkommen entdeckt hatte, und brauchte beide Hände, um es halten zu können. Er trug die

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