Valeron der Barbar
roten Läufer zurück. Darcus Cannu wandte sich Aleysha zu und fragte mit leiser, zischelnd klingender Stimme:
»Maruthische Gesandte? Maruthia? Was, in Kroys Namen, können sie wollen?«
»Premierminister – Eure Sprache! Nun, ich weiß es sicher nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht wissen sie etwas über Valeron? Doch eher glaube ich, König Lexton schickt sie mit einer formellen Versicherung seiner Lehnstreue. Ich erwartete längst eine Reaktion der Könige.«
Der hochgewachsene schlanke Jallad mit dem glatten Gesicht blieb stumm. Als Darcus Cannu seine Aufmerksamkeit auf die Tür richtete, warf Aleysha einen Blick auf den jüngsten König. Ihre Augen trafen sich. König Jallad trug eine weiße Tunika, einen breiten goldbestickten Gürtel und ein Galaschwert in einer reich verzierten Hülle. Ein zweiter Griff ragte aus der Scheide an seiner rechten Hüfte. Es war eine merkwürdige Hülle: kurz und gebogen. Jallad car Ahmir, der so genannte Knabenkönig von Nyor, trug offenbar einen äußerst ungewöhnlichen Dolch.
Alle drei am Thron warteten schweigend, bis ein ausgesprochen großer und breitschultriger Hauptmann der Palastwache eintrat. Ihm folgten Gerüstete … Der Premierminister erkannte König Lexton – König Eshara …
»Die Könige!« keuchte er ungläubig. »Die Fünf Könige!«
»Nein, nein, Premierminister«, sagte Jallad ruhig. »Ich bin bereits hier.«
Hinter den Monarchen und ihrem Gefolge bezogen die lavianischen Krieger Posten an der Tür.
»Darcus Cannu hatte recht«, rief Valeron und schritt den breiten Läufer zum Thron hoch. »Fünf Könige sind wir, und hier, um das Reich der Tochter seines Kaisers zurückzugeben.«
Darcus Cannu erblasste. »Wer …«
Des hochgewachsenen Hauptmanns Helm rollte über den Boden und beantwortete die Frage. »Valeron!«
»Ja, Premierminister. Der Sechste König – ›mein Lord Barbar‹, wie ihr mich nanntet, als wir uns das letzte Mal sahen. Eure Proklamation verkündet, dass Kaiser Velquens Mörder gehenkt wird. Wir sind damit einverstanden, Darcus car Nu, und sind gekommen, um die Hinrichtung zu überwachen.«
Eine kaum merkliche Bewegung lenkte Valerons Aufmerksamkeit kurz von dem verzerrten Gesicht Darcus Cannus ab. Als er flüchtig die eckigen Züge des schlanken Jallads musterte – Lexton hatte ihm zugemurmelt, dass er der Mann zu Aleyshas Linken war –, nickte der König von Nyor und schloss beide Augen. Valerons Blick wanderte fragend zu Aleysha weiter.
»Er weiß Bescheid«, sagte sie. Daraufhin nahm Valeron an, dass Jallad auf ihrer Seite war.
Aber Darcus Cannu hatte noch nicht aufgegeben. Im Thronsaal befanden sich zwei Schreiber, drei Sklavinnen, und in der Arkade hinter den Karyatiden etwa zwanzig Palastwachen. Der Premierminister deutete mit einem zitternden Finger auf Valeron und stieß ein einziges Wort hervor: »Wachen!«
König Lexton rief mit kräftiger Stimme:
»Soldaten des Reiches! Ich bin Lexton, König von Maruthia. Wir sind alle hier, der gesamte Rat der Könige, und ernannten König Valeron einstimmig zu unserem militärischen Führer. Auf jenem Thron sitzt eure Kaiserin. Neben ihr steht der Mörder ihres Vaters: Darcus Cannu, der Hochverräter! Wir sind hier, ihn festzunehmen. Wir haben einen Kordon um den Palast gezogen – und eure Kameraden sind in der Ratskammer eingesperrt.«
Lextons Blick wanderte über sie. Die Männer waren wie erstarrt von seinen Worten. Ehe auch nur einer auf den Gedanken kam, dass es völlig unmöglich war, den Palast ohne ihr Wissen zu umzingeln, fuhr Lexton fort:
»Entscheidet euch, Soldaten des Reiches! Wollt ihr auf diesen Mann hören, diesen Hochverräter, diesen Mörder, oder legt ihr eure Schwerter nieder und wartet unseren Richtspruch ab – nachdem wir Gewissheit haben, wer des Hochverrats schuldig ist und wer nicht?«
Sie zögerten – und blickten auf ihren Offizier. Als Darcus Cannu das sah, schwenkte er den Arm und deutete auf den Befehlshaber der Palastwache.
»Ihr täuscht Euch, mein Lord König. Er hat es getan: Hauptmann Alerku stieß dem Kaiser den Dolch in den Rücken! Alerku, Ihr habt nur noch eine Chance – Euer Schwert!«
Die Stimme einer alternden Frau peitschte wie der Winterwind auf Darcus Cannu ein. »Ihr könntet das nicht wissen«, rief Eshara, »wenn nicht Ihr selbst Alerku den Befehl gegeben hättet, Velquen zu meucheln, Darcus car Nu!«
Valeron hatte recht, diese Palastwachen waren Cannus Männer! Als Alerkus Hand sich um den
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