Valhalla: Thriller (German Edition)
die Sonne. »Ehrlich gesagt, hätte ich nicht mit dir gerechnet«, sagte sie. »Dass du gekommen bist, ist wie ein Wunder für mich.«
»Warum?«
»Sieh dich doch an, du bist ein erfolgreicher und gut verdienender Mikrobiologe. Du bist auf das Geld nicht angewiesen und lebst an einem der schönsten und aufregendsten Orte der Welt. Warum solltest du mir auf irgend so einen komischen Kreuzzug ans Ende der Welt folgen? Mit Hiroki habe ich lange genug telefoniert, um zu wissen, dass er vorhat, sich mit dem Geld seinen langgehegten Traum zu erfüllen, aber bei dir …?«
»Warum schaust du nicht in den Spiegel?« Er zwinkerte ihr zu.
»Wie meinst du das?«
»Ich bin wegen dir hier, Hannah,
nur
wegen dir. Weil ich dein Freund bin und weil ich das Gefühl habe, dass du meine Hilfe brauchst.«
Sie hob eine Braue.
Er grinste. »Na schön, ich gebe zu: Eine halbe Million Dollar ist nichts, was ich so einfach von der Bettkante stoße. Forschungsarbeit bringt nicht eben viel Geld. Aber dich wiederzusehen hat schon auch eine Rolle gespielt. Ich habe mich in den Jahren oft gefragt, was wohl aus dir geworden ist und wie es dir geht. Und ich muss sagen, du bist mit den Jahren noch schöner geworden. Vielleicht liegt es ja am Licht, aber du scheinst irgendwie zu strahlen.«
»So ein Quatsch.« Sie konnte es nicht verhindern, aber ihr schoss das Blut in die Wangen. Roberto hatte ihr damals, während ihrer gemeinsamen Zeit in Hamburg, ziemlich heftige Avancen gemacht; allerdings war sie nie darauf eingegangen und würde es auch diesmal nicht tun. Er war einfach nicht ihr Typ, was aber nicht bedeutete, dass sie für Schmeicheleien nicht empfänglich war. Jede Frau war das. Und er schien das Spiel nicht verlernt zu haben.
Ein kurzer Seitenblick auf John zeigte ihr, dass er den Flirt durchaus mitbekommen hatte. Sein Lächeln wirkte etwas versteinert, und seine Hände waren so um das Bierglas verkrampft, dass die Knöchel hervortraten. Alles in allem hielt er sich bemerkenswert gut.
»Du hättest mich ja mal besuchen können«, sagte sie zu Roberto. »Ich hätte mich über ein Wiedersehen sehr gefreut.«
»Leichter gesagt als getan. Du warst in den letzten Jahren dauernd auf Reisen. Dein letzter Standort war noch mal wo …?«
»Kambodscha.«
Er grinste. »Na, siehst du? Und ich wette, du hast niemandem gesagt, wo du zu finden bist, oder?«
»Ertappt.« Sie zuckte die Schultern. »So wie in diesem Fall jetzt auch. Aber was soll ich machen? Stromberg will es halt so. Genauso, wie er darauf bestanden hat, dass wir uns unter falscher Identität hier einmieten.«
»Ich halte das auch ein bisschen für übertrieben«, sagte Hiroki. »Ist das wirklich nötig? Ich meine, die Papiere müssen doch ein Vermögen gekostet haben.«
»Sicher ist sicher«, sagte John. »Spitzbergen ist klein, hier kennt jeder jeden. Wenn bekannt wird, was wir vorhaben, können wir unseren Plan gleich in den Wind schreiben. Ich möchte euch alle noch einmal ermahnen, euch an den Plan zu halten. Wir sind ein Fernsehteam, das im Auftrag der National Geographic Society unterwegs ist, um das Leben auf dieser Insel während der Wintermonate zu dokumentieren, Aufnahmen von Polarlichtern zu machen und so weiter. Auf keinen Fall dürfen die Russen Wind von unserer Aktion bekommen. Also lasst uns cool bleiben und weiter unser kleines Theater spielen, okay?«
»Wenn’s sein muss …« Hiroki zuckte die Schultern. »Ich muss gestehen, ich finde es ja ganz aufregend. Einen Auftrag wie diesen hatte ich noch nie.« Er grinste, was ihn in seinem gestreiften Anzug doppelt komisch aussehen ließ.
»Ich glaube, wir sind alle Profis genug, um zu wissen, dass das hier kein Spaziergang wird«, sagte Hannah, die Johns Auftritt für ein klein wenig überzogen hielt. Gewiss, er hatte recht mit dem, was er sagte, aber jeder von ihnen wusste um das Risiko und würde sich dementsprechend verhalten. Vermutlich war der eigentliche Grund für Johns Vortrag, dass er vor Roberto mal kurz die Muskeln spielen lassen wollte. Sie küsste ihn und hängte sich bei ihm ein. »Was mich viel mehr beschäftigt, ist die Frage, wo denn unser fünftes Teammitglied abgeblieben ist. Punkt sieben war ausgemacht, jetzt ist es zwanzig nach.«
»Vielleicht wurde sie aufgehalten«, meinte Hiroki.
»Aber dann hätte sie uns doch bestimmt eine Nachricht zukommen lassen«, ergänzte Roberto.
John sagte nichts. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf einen Punkt auf der gegenüberliegenden Seite des
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