Valhalla: Thriller (German Edition)
Wie sie den Angriff der Killerviren überstanden hatte und was aus ihr geworden war, darüber war nichts bekanntgeworden. Möglich, dass Fradkov davon wusste und bestimmte Informationen zurückhielt, möglich aber auch, dass er genauso wenig Ahnung hatte. Die Leichen der zwei Vermissten waren niemals geborgen worden; es war möglich, dass sie sich immer noch hier unten befanden. Waren sie vielleicht auch noch am Leben, so wie Hannah Peters? Hatten sie womöglich etwas mit dem Verschwinden seiner Leute zu tun?
Verwirrender Gedanke, gewiss, aber Viktor hatte in den Labors Dinge gesehen, die einem geistig gesunden Menschen den Verstand rauben konnten. Wer nicht völlig abgestumpft war oder die Fähigkeit besaß, eine geistige Mauer um sich zu errichten, der musste mit der Zeit zynisch werden. Oder wahnsinnig, je nachdem.
Viktor war in letzter Zeit nicht gut auf Fradkov zu sprechen. Er fühlte sich, gelinde gesagt, verarscht. Weder hatte sein Vorgesetzter ihn in die Details ihres Auftrags eingeweiht, noch hatte er ihm irgendetwas über das Ziel und die weitere Planung gesagt. Vieles von dem, was er wusste, hatte er sich aus Andeutungen, Memos und Gerüchten zusammengereimt, aber das war nur ein kleiner Teil. Das gesamte Bild erschloss sich ihm noch nicht. Und Fradkov schien kein Interesse zu haben, daran etwas zu ändern. Viktor war der Mann fürs Grobe. Der Putzlappen. Wann immer irgendwo Scheiße passierte, musste er ran und die Sache ins Reine bringen. Und hier passierte eine Menge Scheiße. Der neuerliche Zwischenfall war beileibe kein Einzelphänomen.
Wenn Viktor auf die Stimme in seinem Inneren hörte, dann hatten sie alle ein mächtiges Problem. Dann spürte er, dass dieser Einsatz noch richtig hässlich werden würde.
Vor ihnen kam der Wall in Sicht. Rechts neben der Tür stand ein Wachhäuschen, in dem eine Lampe brannte. Inmitten dieser gläsernen Dunkelheit wirkte das Licht wie ein Hoffnungsschimmer in finsterer Nacht.
»Wir sind da, Herr Major. Die Männer sind im Inneren. Sie haben Befehl, nicht ohne Ihre Begleitung zum Unglücksort vorzustoßen.«
»Natürlich haben sie das«, grummelte Viktor. »Den Befehl habe ich selbst ausgegeben. Ich kann es nicht brauchen, wenn mir eine Horde von Analphabeten alle Spuren zertrampelt.«
»Bitte verzeihen Sie mir, Herr Major, das wusste ich nicht.«
»Schon gut, Junge.«
Beherrsch dich
, sagte er sich.
Hör auf, den Jungen runterzuputzen, er kann nichts dafür.
Er öffnete die Tür und trat ohne zu klopfen ein. »’n Abend, Männer.« Die drei Soldaten in ihren Schutzanzügen sprangen auf. Der älteste von ihnen, Leutnant Mirkovic, trat einen Schritt vor und salutierte. »Wachpatrouille vollzählig angetreten, Herr Major.«
»Rühren.« Viktor sah sich um. »Wie viel Zeit ist seit dem letzten Wachwechsel vergangen?«
»Eine Stunde fünfzehn, Herr Major.«
»Wieso wurde ich erst jetzt informiert?«
»Die Suchaktion nahm einige Zeit in Anspruch, Herr Major. Wir dachten zuerst, Strepkow und Kusmin wären auf Patrouillengang unterwegs. Hier waren sie nicht, und das Tor in Richtung Stadt stand offen. Ich ließ Sorokin zurück und machte mich mit Danilow auf den Weg, um nach den beiden zu suchen. Offenbar hatten sie ihre Funkgeräte ausgeschaltet, denn sie reagierten nicht auf unsere Anfragen. Andererseits … Sie wissen ja, wie schlecht die Verbindung hier unten ist.«
Viktor winkte ab. »Und weiter?«
»Nun, wir suchten sie etwa eine halbe Stunde lang, dann fanden wir etwas.« Er zögerte. Viktor konnte die Furcht in seinen Augen erkennen.
»Als wir sahen, was dort geschehen war, eilten wir sofort zurück. Ich beauftragte Sorokin, Meldung bei Generaloberst Fradkov zu machen.«
»Warum bei Fradkov? Warum sind Sie damit nicht zu mir gekommen? Das ist eine Frage der internen Sicherheit, und für die bin immer noch ich zuständig.«
»Gewiss, Herr Major. Ich dachte nur, dass dies ja ein ziviles Unternehmen ist. Und der Herr Generaloberst als oberster Befehlshaber …«
»Ziviles Unternehmen? Wer hat Ihnen denn diesen Schwachsinn erzählt? Nur weil EMERCOM auf den Containern steht, heißt es noch lange nicht, dass die Zivilisten hier das Sagen haben. Was die Sicherheit und Logistik betrifft, ist dies eine militärische Operation; daher sind Sie auch verpflichtet, die Befehlskette einzuhalten. Dass Sie zu Fradkov gelaufen sind, hat uns mindestens eine halbe Stunde gekostet. Ganz zu schweigen davon, dass mich das beim Generaloberst schlecht aussehen
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