Valhalla: Thriller (German Edition)
Station Valhalla, Nordostland …
V iktor Primakov schlüpfte in seinen Schutzanzug, prüfte den Sitz der beiden Waffengurte und schnürte seine Springerstiefel. Rasch noch die Einstellungen für seinen Atemfilter gecheckt, dann war er abmarschbereit. Vor der Tür wartete ein blasser Kadett, ebenfalls in Hochsicherheitskleidung. Furcht und Kälte standen ihm ins Gesicht geschrieben. Als er Viktor sah, nahm er Haltung an und schulterte sein Gewehr.
»Rühren«, sagte Viktor. »Status?«
»Unverändert, Herr Major. Die Männer warten am vereinbarten Sammelpunkt auf Sie. Alle sind bereit.« Die Stimme des Jungen wurde durch den Anzug gedämpft.
»Irgendwelche Neuigkeiten?«
»Keine, Major. Die Spuren deuten auf einen Kampf hin, mehr war nicht herauszufinden. Leutnant Mirkovic hat angeordnet, mit der Untersuchung auf Sie zu warten.«
»Hm.« Viktor deutete auf den Gang vor ihnen, und der Kadett setzte sich in Bewegung. Rechts und links zweigten Flure ab, die zu den unterirdischen Versorgungseinrichtungen und Labors führten. Gebogene Röhren, die aus den Innereien der U-Boote stammten, die die Nazis zum Bau dieser Station zerlegt hatten. An manchen waren immer noch Schilder in deutscher Sprache befestigt. Die Anlage war alt, trotzdem war die Handschrift der Nazis deutlich zu erkennen: ein klarer, effektiver Aufbau, kurze Wege und kein unnötiger Schnickschnack. In bestimmten Abständen waren luftdichte Sicherheitsschleusen angebracht, die verhinderten, dass irgendwelche Keime oder Erreger nach außen dringen konnten. Spezielle Filter- und Pumpanlagen schufen einen permanenten Unterdruck. Sollten die Schließmechanismen kurzzeitig versagen, so würde die Luft von außen nach innen strömen und eine Kontamination der umliegenden Bereiche verhindern. Die vorsintflutlich anmutenden Geräte waren selbst nach siebzig Jahren immer noch funktionstüchtig.
Made in Germany
, dachte Viktor und lächelte grimmig. Trotzdem ging das Team keine Risiken ein. Alle, die sich außerhalb der Hochsicherheitslabors befanden, waren angehalten, ihre Schutzanzüge zu tragen, weil auch in den Ruinen der alten Stadt Keime gefunden worden waren. Aber den Befehl musste man nicht explizit wiederholen. Wer gesehen hatte, was diese teuflischen kleinen Erreger anrichten konnten, legte freiwillig seine Schutzkleidung an.
Viktor verließ den Hochsicherheitsbereich und schlug den Weg zu den Mannschaftsquartieren ein. Er spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Vor einer Woche waren drei Mann auf unerklärliche Weise verschwunden, und wie es aussah, waren gerade zwei neue hinzugekommen. Nur mit dem Unterschied, dass diesmal Beweise für Fremdeinwirkung gefunden worden waren.
»Haben Sie mit Generaloberst Fradkov gesprochen, Kadett?«
»Das habe ich, Herr Major.«
»Und?«
»Er ist außer sich. Er wünscht, dass Sie die Vorfälle umgehend aufklären und ihm den oder die Schuldigen bringen.«
»Und warum kann er mir das nicht selbst sagen? Warum schickt er Sie als Laufburschen?«
»Der Generaloberst war sehr beschäftigt, Herr Major. Er hat mir keine Gründe genannt, und es schien mir auch nicht angemessen, ihn danach zu fragen.«
»Schon gut. Wo ist der Rest der Wachmannschaft?«
»Drüben am Tor, in der Wachstube.«
Viktors Gedanken ratterten. Zwei Mann, die nicht mal in der Lage waren, eine Funkmeldung oder ein Warnsignal abzusetzen, wie war so etwas möglich? Aus genau diesem Grund waren die Patrouillen doch immer zu zweit unterwegs. Er presste die Lippen zusammen. Was er jetzt brauchte, waren Fakten. Ohne Fakten keine Untersuchung – und ohne Untersuchung keine Schuldigen. Er musste jetzt einen klaren Kopf behalten, oder Fradkov würde ihm das Fell über die Ohren ziehen.
Sie gelangten an eine Kreuzung, von der rechts ein Weg Richtung innere Begrenzungsmauer abging. In den uralten Wall, der vor Tausenden von Jahren vielleicht mal eine Stadtmauer gewesen sein mochte, hatten die Nazis eine Eisentür eingelassen, hinter der das eigentliche Labyrinth begann: unzählige Gassen, Winkel und Plätze, die bis zum Stadtzentrum reichten.
Viktor war schon mehrfach im Inneren gewesen, hatte dort aber immer ein ungutes Gefühl gehabt. Etwa zwei Kilometer südlich hatte das Massaker stattgefunden. 22 Männer und Frauen, die auf bestialische Art und Weise ums Leben gekommen waren. Und noch immer waren die Umstände nicht hundertprozentig geklärt. Zwei Wissenschaftler waren verschwunden, eine hatte überlebt. Eine Deutsche namens Hannah Peters.
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