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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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angeschmiert, was?«

22
    In mondhellen Nächten, wenn Sven es leid war, immer nur auf dem Richterstuhl zu sitzen und seinen Leuten vorzuschreiben, was sie zu tun hatten, nahm er seinen Gürtel und sein Schwert und stieg auf den Hügelkamm, um Trolde zu jagen. Unten am Haus waren die Trolde nicht so zahlreich, weil sie sich vor ihm in Acht nahmen, aber auf dem Hochmoor gab es davon noch jede Menge. Einer nach dem anderen kam heran, graue Schatten, die dem Erdboden entstiegen oder durch den Stechginster schlichen, und im fahlen Mondschein kämpfte er mit ihnen und brachte ihre Köpfe und Häute mit heim, um seine Halle damit zu schmücken.
    Sogar Sven kam von diesen Abenteuern oft blutig und zerschrammt zurück, und er wies seine Leute an, das Hochmoor unter gar keinen Umständen zu betreten. »Dort oben gibt es viel zu viele Trolde«, erklärte er, »und ihr seid weit von jeder Hilfe entfernt. Haltet euch immer schön in der Nähe der Heimstatt auf, die ich euch geschaffen habe.«

    Der Nachmittag ging in den Abend über. Im Osten verschmolz der Himmel mit der Erde, im Westen verschwand rötlich das Licht. Das verschneite Moor nahm eine trüb violette Färbung an, in Senken und Mulden sammelten sich Schattenpfützen. Hier und da standen kahle hohe Felsen wie große schwarze, in den Erdboden getriebene Nägel.
    Hoch über ihren Köpfen flog unter den ersten hellen Sternen ein Schwarm Gänse dahin.
    Es war immer noch ziemlich weit bis zu den Hügelgräbern.
    »Ein Glück, dass wir nicht an Trolde glauben, was?«, sagte Hal leichthin.
    »Allerdings.« Sie stapften weiter. Hal hatte Aud den Arm um die Taille geschlungen und stützte sie. Ihr Arm lag schwer auf seinen Schultern. Sie bewegte sich halb hüpfend, halb stolpernd vorwärts und vermied es, mit dem verletzten Fuß aufzutreten. Auf diese Weise hatten sie schon den Hang des kleinen Berges und über die halbe Strecke durch das Moor zurückgelegt, aber sie kamen quälend langsam voran.
    Hin und wieder fing Hal eine Unterhaltung an, um Aud aufzumuntern, was sich aber als fast genauso anstrengend erwies wie das Gehen. Es war nicht einfach, über Leibgerichte und irgendwelchen Tratsch zu plaudern, wenn man sich immer wieder vorstellen musste, dass im Boden unter ihren Füßen die Trolde lauerten. Er musterte die Umgebung, die im Dämmerlicht immer mehr verschwamm. Schon konnte man die Grenze nicht mehr erkennen.
    Als sie gerade hinter einem hohen Felsen hervorkamen und das nächste ungeschützte Stück Weg betraten, hob Aud den Kopf. »Hast du das gehört, Hal?«
    Er lauschte. »Ich habe nichts gehört.«
    »Nein? Vielleicht war es ja auch nichts. Ich dachte bloß... Nein, bei diesem Wind kann man nicht sicher sein.«
    »Stimmt. Lass uns weitergehen. Stehen bleiben und reden bringt gar nichts.«
    »Hast recht.«
    Sie trotteten weiter. Es wurde immer dunkler. Das letzte Licht hing schwach und fahl über den Bergen im Westen, die umliegenden hohen Felsen waren nur noch dunkelgraue Schemen. Und geradeaus ließen sich immer noch keine Hügelgräber blicken.
    Unter ihren schwerfälligen Schritten knirschte der Schnee, es wurde deutlich kälter. Aud stützte sich auf Hal und stöhnte jedes Mal, wenn ihr Fuß den Boden streifte.
    Hal fiel etwas ein. »Deine Hand hast du doch verbunden, oder? Ich meine, du ziehst keine Blutspur hinter dir her oder so?«
    »Unsinn. Lass mich in Ruhe.«
    »War ja bloß’ne Frage.« Hal schwieg die nächsten paar Schritte, dann fing er an, eine flotte, sich immer wiederholende Melodie durch die Zähne zu pfeifen. Das ging eine Weile gut, bis Aud ärgerlich rief: »Kannst du, verflixt noch mal, damit aufhören? Wenn ich dieses grässliche Trauerlied noch einmal hören muss, hau ich dir eine runter!«
    »Ich wollte uns bloß bei Laune halten.«
    »Indem du mir vorführst, was du für eine Angst hast? Großartig!«
    »Ich und Angst? Schau mir ins Gesicht! Sieht so vielleicht jemand aus, der Angst hat?«
    »Keine Ahnung, Hal, ich kann’s dir nicht sagen. Und weißt du auch, warum nicht? Weil es dunkel ist und man die Hand nicht mehr vor den Augen sieht. Es ist stockfinster, Hal! Und wir sind immer noch hinter der Grenze. Deinetwegen!«
    »Meinetwegen? Wer von uns ist denn so blöde gestolpert?«
    »Du hast mich ja praktisch geschubst.«
    »Ich glaub, ich spinne!«, rief Hal entrüstet. »Erstens sind dir die Trolde und die Grenze doch angeblich völlig egal, und zweitens darf ich dich dran erinnern, dass wir erst gar nicht in der Patsche säßen,

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