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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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um.
    Ein-, zweimal hatte er mitten in seiner Rede gestockt, weil er gespürt hatte, dass er ins Leere sprach. Dabei hatte nicht etwa jemand sein Missfallen geäußert, sondern es war das tiefe Schweigen seiner Zuhörer, das ihn verunsicherte. Als er ausgeredet hatte, brach niemand das Schweigen, es zog sich hin wie der schier unendlich dehnbare Faden einer Spinne... Es war ein aufs Äußerste gespanntes Schweigen, doch es würde irgendwann zerreißen.
    Das war auch Leif bewusst. Einen Augenblick hielt er die Spannung noch aus, dann verlor er die Beherrschung. »Steht nicht untätig herum, ihr Dummköpfe!«, keifte er. »Der Feind ist bald hier! Wir müssen fliehen oder sterben! Was ist bloß los mit euch?«
    Der vierschrötige Schmied Grim mit seinem struppigen Bart hob bedächtig die Hand mit dem großen Holzhammer. »Wieso müssen wir eigentlich weglaufen?«
    Leif strich sich mit beiden Händen übers Haar. »Hast du dem alten Bettler nicht zugehört, Grim? Hord hat Schwerter für seine Leute schmieden lassen! Wir haben keine Schwerter.«
    »Ich hab meinen Hammer.«
    Der Schweinehirt Kugi rief: »Ich hab meine Mistgabel!«
    Einige andere stimmten in diesem Sinn mit ein, und Leif musste brüllen, um sich verständlich zu machen. »Das ist alles schön und gut, aber habt ihr die alten Geschichten vergessen? Hat Sven etwa eine Mistgabel geschwungen? Nein! Er hatte ein Schwert. Und warum? Weil es keine wirkungsvollere Waffe gibt als ein Schwert, mit dem man seinem Gegner mühelos den Kopf abschlagen kann. Lasst euch von mir sagen, dass wir diesem Überfall nichts entgegensetzen können. Uns bleibt keine andere Wahl, als uns klug zu verhalten und vorläufig den Rückzug anzutreten!«
    Viele Zuschauer raunten zustimmend, andere dagegen riefen höhnisch: »Du forderst uns auf, unser Haus im Stich zu lassen!«
    »Wir sollen es dem Feind kampflos überlassen!«
    »Was bist du für ein Anführer?«
    »Das ist feige, Leif Svensson!«
    Die Menge kannte kein Halten mehr. Leif wusste nicht, was er tun sollte. Da übertönte ein rhythmisches Klopfen das Geschrei. Die Rufer verstummten einer nach dem anderen. Mitten in der Menge stand der hagere, bucklige Diener Eyjolf und stieß so lange mit seinem Hackenstiel auf die Steinfliesen, bis alle still waren. Dann hörte er auf und sagte: »Leif meint es sicherlich gut, und was er vorschlägt, hat Hand und Fuß. Es hätte gewiss keinen Sinn, hierzubleiben und sich niedermetzeln zu lassen.«
    Leif hob die Arme. »Na endlich! Die Stimme der Vernunft! Danke, Eyjolf.«
    »Trotzdem«, fuhr Eyjolf unbeirrt fort, »kann ich nicht ganz einsehen, weshalb ein Blutbad unausweichlich sein soll, und wie die meisten von uns glaube ich, dass es feige und falsch wäre, unser Haus einfach aufzugeben. Ehe wir uns dazu entschließen, sollten wir alle anderen Möglichkeiten gründlich überdenken. Vielleicht können wir uns ja doch wehren! Ich schlage vor...« Er musste einhalten, weil etliche Zuhörer, darunter auch Leif, ihn unterbrechen wollten, worauf sie von den anderen niedergebrüllt wurden. »Ich schlage vor«, wiederholte Eyjolf, »dass wir uns anhören, was der Einzige von uns dazu zu sagen hat, der bereits unmittelbar Erfahrung mit Gewalt und Kampf gemacht hat... Hal Svensson.«
    Daraufhin trat wieder Stille ein. Hal stand unschlüssig auf den Stufen zum Podest.
    »Hal?«, rief Leif entrüstet. »Der hat uns doch den ganzen Schlamassel überhaupt erst eingebrockt!«
    »Ich geb’s ja zu, er ist ein übles Bürschchen«, räumte Eyjolf ein, »aber wer von uns hat schon mal jemanden umgebracht?«
    »Wer von uns hat schon mal einen Hof niedergebrannt?«, rief ein anderer.
    »Stimmt, Hal hat die Hakonssons überfallen!«, schrie eine Frau. »Um an Olaf ranzukommen, hat er bestimmt Dutzende Männer getötet. Er soll unser Anführer sein!«
    »Auf jeden Fall sollten wir ihn anhören!«
    »Er soll sprechen!«
    »Hal!«
    »Geh rauf, Hal!«
    Die ganze Halle dröhnte von auf den Boden gestoßenen Arbeitsgeräten. Leif stand mit offenem Mund und ungläubigem Blick auf dem Podest, Hal zögerte immer noch. Mit einem Seitenblick stellte er fest, dass ihn Gudny und Snorri beobachteten, und an der Tür standen inzwischen auch Katla und Aud und schauten zu ihm herüber. Leider konnte er nicht richtig erkennen, was für ein Gesicht Aud machte.
    Hal stieg aufs Podest. Der Lärm schwoll ein letztes Mal an und verstummte. Über fünfzig Gesichter wandten sich ihm zu und warteten mit gespannten Mienen darauf, was er

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