Valley - Tal der Wächter
Jetzt pass gut auf, was ich dir sage! Die Versammlung steht unmittelbar bevor und wir sind längst nicht fertig mit allem! Es gibt noch schrecklich viel zu tun, deshalb musst du tüchtig mit anpacken wie alle anderen auch. Jetzt ist nicht der rechte Augenblick für irgendwelche Streiche, Scherze oder sonstigen Unsinn.Wenn du nicht auf mich hörst, wirst du es bereuen. Hast du mich verstanden?«
»Ja, Mutter.«
»Gut so. Dann lauf gleich zu Grim. Jemand muss ihm helfen, die Bratroste auf die Wiese zu bringen.«
Die Aufregung, die in der Luft lag, war fast mit Händen zu greifen. Auch Hal wurde davon angesteckt. Zum ersten Mal, seit er denken konnte, wurde die Herbstversammlung auf Svens Besitz abgehalten, und das verhieß nie gekannte Wunderdinge. Schon bald würden sich auf den umliegenden Wiesen und Weiden fast vierhundert Gäste einfinden, eine so ungeheure Anzahl Menschen, dass Hal sie sich kaum vorstellen konnte. Arnkel und Astrid würden die Abgesandten aller elf anderen Häuser beherbergen – ihre Familienoberhäupter und Händler, ihre Bediensteten, Pferde und Wagen, dazu die Bewohner der kleineren Gehöfte. Man würde Festessen geben und Geschichten erzählen, spannende Pferderennen, Ringkämpfe und andere Wettbewerbe veranstalten, der Rat würde die jüngsten Rechtsstreitigkeiten verhandeln... Hal konnte es kaum erwarten. Wenigstens dieses eine Mal würde er sich nicht eingesperrt und von allem isoliert vorkommen. Er bekäme das ganze Tal zu sehen, ohne auch nur einen Fuß aus seinem Zuhause zu setzen.
Zwei Tage lang schuftete er wie alle anderen, half beim Aufbau der Verkaufsbuden rings um die Festwiese, richtete die Pfosten aus, während die Männer sie in den weichen Boden hämmerten, schleppte Torfballen aus den Trockenkammern herbei und schichtete sie so auf, dass zwischen den Pfosten Wände entstanden. Er half beim Ausheben der Feuerstellen, dem Einlegen der Bratroste und rechte Heu und Stroh für die Tiere der Besucher zusammen.
Am dritten Tag wurde alles geschmückt. Die Flaggen mit Svens Farben wehten stolz am Fahnenmast im Hof, von jedem Dach flatterten schwarzsilberne Banner wie Seevögel. Die Troldmauer war mit Girlanden aus Wimpeln verziert, und vor der Großen Halle hatte man ein geräumiges Zelt aufgestellt, in dem die Bierfässer schon zum Anstechen bereitlagen. Aus Böcken und Brettern wurden Tische aufgebaut, die sich unter der Last von Häuten, Kleidungsstücken, Werkzeugen, Pfeifen und anderer hausgemachter Waren schier bogen. Als es Abend wurde, war fast alles fertig, und die Betriebsamkeit legte sich ein wenig. Hals Bruder Leif stolzierte in seinem prächtigen schwarzsilbernen Mantel umher und lobte alle.
Hal hatte keine Lust mehr zu arbeiten und scharte in einer Gasse hinter der Gerberei etliche andere Kinder um sich, denen es genauso ging.
»Wollen wir was spielen?«, fragte er. »Tote Krähen oder Schlacht am Felsen?«
Wie fast jedes Mal entschied man sich für die Schlacht. Hal übernahm die Rolle von Sven.
»Willst du nicht lieber ein Trold sein?«, fragte Ketil, Grims Sohn. »Das würde schön echt aussehen.«
Hal funkelte ihn finster an.»Wer von uns ist hier ein echter Svensson? Ich spiele Sven und damit Schluss.«
Ketil, Sturla und Kugi, der schmaläugige Junge, der die Schweineställe ausmistete, sollten die Trolde sein. Als Klauen benutzten sie abgebrochene Sicheln. Hal und die anderen Helden rüsteten sich mit rostigen Eimern aus, die sie aus der Schmiede stibitzten und anstelle von Helmen aufsetzten, als Schwerter holten sie sich Knüppel aus den Ställen. Die große Schlacht wurde auf einem Abschnitt der Troldmauer ausgefochten, der mehr oder weniger eingestürzt und nur noch ein Haufen von Gras und Moos überwucherter Steine war. Obendrauf bauten sich Seite an Seite die Helden auf und klopften Sprüche. Die Troldmeute sprang brüllend und kreischend zu ihren Füßen herum. Die Vögel auf den Dächern des Gehöfts flogen erschrocken auf, die Kühe auf der Weide wandten verwundert die Köpfe. Die Frauen in der Gerberei schimpften und fuchtelten mit den Armen. Die Schlacht wurde in einem Hagel aus Stock- und Fausthieben ausgetragen.
Da kam mit wehendem Mantel Leif Svensson angeschlendert. Er sah dem Geschehen mit finsterem Gesicht zu. Als die Kämpfenden auf den ungebetenen Zuschauer aufmerksam wurden, verebbte der Schlachtenlärm. Noch ein paar vereinzelte Ausrufe und das eine oder andere verlegene Räuspern, dann herrschte Stille.
»Na, das ist ja ein
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