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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Grabhügeln hindurch, auf das Hochmoor hinaus.
    Hal sank auf die Knie, ihm kamen die Tränen. Er sah das Schaf davontänzeln. Gar nicht so weit weg blieb es wieder stehen. Nicht weit weg, aber außerhalb jeglicher Reichweite. Das Schaf war für ihn verloren. Er musste es ziehen lassen.
    Neben ihm erhob sich stumm und dunkel das Hügelgrab. Er hätte nur die Hand danach auszustrecken brauchen, um es anzufassen. Bei dieser Vorstellung überlief es ihn eiskalt. Stolpernd und keuchend trat Hal den Rückweg hinter die schützende Mauer an.

    Bis zum Abend hielt er unablässig Ausschau, aber das Schaf kehrte nicht zurück. Die Dämmerung brach an. Hal hockte beklommen in seiner finsteren Hütte. Irgendwann mitten in der Nacht vernahm er ein hohes Kreischen, den Angstschrei eines Tieres in höchster Not. Der Schrei verstummte jäh. Hal starrte ins Dunkel, alle Muskeln aufs Äußerste angespannt, und tat bis zum Morgengrauen kein Auge mehr zu.
    Als es hell wurde, erklomm er den Hang noch einmal und spähte aus sicherer Entfernung zwischen den Hügelgräbern hindurch.
    Das Schaf war und blieb verschwunden, aber überall in weitem Umkreis sah Hal blutgetränkte Wollbüschel im Gras liegen.

3
    Als Egil Svens betagte Mutter mit einer Kröte verglich, kam das Sven bald zu Ohren. Er machte sich sofort zu Egils Heim auf und nagelte einen Wolfspelz an die Tür. Egil kam herausgestürmt.
    »Was soll das sein? Eine Herausforderung? Wo wollen wir kämpfen?«
    »Gleich hier oder sonst wo, das kannst du dir aussuchen.«
    »Dann sag ich: auf dem Taubenfelsen.«
    Dort oben rangen sie miteinander, und jeder versuchte, den anderen in die Tiefe zu stoßen. Sven war guter Dinge, denn seine eisernen Glieder hatten ihn noch nie im Stich gelassen, aber Egil war ihm an Körperkraft ebenbürtig. Die Sonne ging unter, die Sonne ging wieder auf und immer noch standen sie miteinander ringend auf der Felsspitze. Keiner von beiden wollte nachgeben. So reglos standen sie da, dass die Vögel anfingen, auf ihren Köpfen Nester zu bauen.
    »Die bauen Nester«, sagte Sven. »Der eine hat eben einen Zweig angeschleppt.«
    »Einer von deinen legt grade ein Ei.«
    Und so fingen sie an zu verhandeln und wurden Blutsbrüder. Jahre später kämpften sie Seite an Seite in der Schlacht am Troldfelsen.
    Das waren ganz klar die Trolde«, sagte Onkel Brodir. »Sie kommen nur nachts raus.Wieso zweifelst du daran?«
    Hal schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht gesagt, dass ich daran zweifle, bloß... Wovon ernähren die sich denn, wenn ihnen keine Schafe oder kleinen Jungen über den Weg laufen?«
    Onkel Brodir verpasste ihm eine freundschaftliche Kopfnuss. »Du stellst mal wieder viel zu viele Fragen. Zur Abwechslung habe ich mal eine Frage an dich: Bist du sicher, dass du selbst nicht bis hinter die Gräber gegangen bist?«
    »Auf keinen Fall, Onkel!«
    »Gut. Denn das wäre unser aller Verderben, jedenfalls heißt es so in den alten Sagen. Dann lass das Schaf Schaf sein. Sag deinem Vater, es ist von einem Felsen gestürzt und hat sich das Genick gebrochen. Jetzt lass uns aber Feuer machen, denn heute Abend können wir die Herde nicht mehr heimtreiben. Ich habe uns frisches Fleisch mitgebracht.«
    Einen Tag nach dem Verlust des Schafes war Brodir mit seinem prächtigen Bart und einem Wanderstab in der Hand den Berg heraufgekommen, um Hal abzuholen. Sie hatten einander freudig umarmt.
    »Die Verbannung ist dir gut bekommen«, stellte Brodir fest. »Du hast noch nie so munter und kräftig ausgesehen. Wahrscheinlich machst du nach deiner Heimkehr noch mehr Dummheiten als vorher.«
    »Habe ich euch gefehlt?«, fragte Hal.
    »Nicht allen. Eigentlich nur Katla und mir. Die anderen scheinen ganz gut ohne dich zurechtzukommen.«
    Seufzend schob Hal die glimmenden Äste zusammen. »Was gibt’s sonst Neues?«
    »Nicht viel. Nur deine Eltern sind schon ganz aus dem Häuschen, weil die Versammlung vor der Tür steht.«
    »Dann komme ich noch rechtzeitig zurück? Ich hatte mir schon Sorgen gemacht.«
    »Es sind noch sieben Tage bis dahin. Alle rennen herum wie aufgescheuchtes Federvieh, damit alles rechtzeitig fertig wird. Die Unterwiese ist gemäht, die ersten Stände sind schon aufgebaut. Dein Bruder Leif beaufsichtigt die Vorbereitungen. Er marschiert mit wehendem Mantel durch die Gegend wie ein aufgeplusterter Puter und erteilt Anweisungen, an die sich kein Mensch hält. Deine Schwester Gudny sitzt stundenlang in ihrem Zimmer vorm Spiegel und putzt sich heraus. Sie will sich

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