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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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reizender Anblick!«, sagte Leif gedehnt. »Die Versammlung steht unmittelbar bevor und ihr Schmutzfinken balgt euch wie Hunde um eine Handvoll Knochen! Eyjolf und ich haben bis heute Abend noch tausenderlei Aufträge zu vergeben, und wenn ihr nicht sofort die Beine in die Hand nehmt, sperr ich euch das ganze Fest über in die Besenkammer!«
    Leif war achtzehn, ein erwachsener Mann, groß, kräftig und breitschultrig. Er hatte die Angewohnheit, den Kopf wie ein Stier immer ein bisschen gesenkt zu halten und sein Gegenüber von schräg unten anzufunkeln, gerade so, als müsste er sich sehr beherrschen, um nicht von seinem Jähzorn übermannt zu werden. Die Kinder wurden blass und sahen ihn eingeschüchtert an.
    Hal stand noch oben auf der Troldmauer und erwiderte mutig: »Es ist gar nicht lange her, Bruder, da hast du selber begeistert mitgespielt. Los, mach mit! Ich borg dir auch meinen Helm.«
    Leif trat einen Schritt auf ihn zu. »Willst du dir unbedingt eine Ohrfeige einfangen, Hal?«
    »Nein.«
    »Dann rate ich dir, mein Alter und meine Stellung zu berücksichtigen.« Leif warf sich in die Brust. Er trug seine schönste Jacke, dazu enge schwarze Hosen und blitzblank polierte Stiefel. »Als derjenige, der dieser Familie eines Tages vorstehen wird, habe ich vielerlei Pflichten und gewiss keine Zeit, mich im Dreck zu wälzen.«
    »Da hat mir unsere Ziegenhirtin Gudrun aber etwas ganz anderes erzählt«, entgegnete Hal leichthin. »Sie meinte, als du ihre Hütte letzte Nacht verlassen hast, wärst du von Kopf bis Fuß voller Stroh gewesen.«
    Daraufhin war dreierlei zu hören: das Gelächter der anderen Kinder, Leifs Zorngebrüll und das hastige Scharren von Hals Stiefeln auf der Mauer, als er die Flucht ergreifen wollte. Aber seine Beine waren kurz und die seines Bruders lang. Die Flucht nahm ein rasches, schmerzhaftes Ende.
    Leif nickte grimmig. »Lass dir das eine Lehre sein, Hal. Mit unverschämten Bengeln wie dir mache ich kurzen Prozess. Und jetzt an die Arbeit!« Er stand breitbeinig auf der Troldmauer und erteilte den Kindern Anweisungen.
    Hinter ihm drückte sich Hal ein Tuch auf die blutende Nase. Als das Bluten nachließ, wischte er sich mit dem Ärmel das verheulte, verschmierte Gesicht ab. Dann zielte er sorgfältig und trat Leif mit voller Wucht in den Hintern.
    Mit einem schrillen Aufschrei und rudernden Armen kippte Leif von der Mauer. Unter ihm befand sich ein großer Misthaufen. Der Sturz dauerte gerade so lange, dass Leif sich einmal um sich selbst drehte und kopfüber in den braunen Matsch klatschte.
    Ein schmatzendes Glucksen und sein Kopf und Oberkörper waren verschwunden. Seine Beine ragten strampelnd in die Luft und der Saum seines schwarzsilbernen Mantels wallte sanft auf den feuchten Berg nieder.
    Das entsetzte Keuchen der Kinder wich ungläubigem Staunen.
    »Guckt mal, wie tief er drinsteckt«, sagte Hal. »Ich hätte gar nicht gedacht, dass der Haufen so weich ist.«
    Der Schweinehirt Kugi hob die Hand. »Ich hab erst vorhin eine frische Ladung draufgeschippt.«
    »Aha. Aber wieso kippt Leif nicht um? Seht nur, wie er mit den Beinen winkt! Das ist bestimmt gar nicht so leicht. Vielleicht sollte er mit diesem Kunststück auftreten.«
    Doch da senkten sich die Beine, und der Oberkörper kam frei, sodass Leif auf dem Misthaufen kniete. Kopf und Schultern steckten aber immer noch im Dung. Er buddelte mit den Händen darin herum und spannte die Muskeln an, dann machte es vernehmlich Plopp , und Leif kam in einem Matschregen wieder zum Vorschein. Eine widerlich stinkende Wolke stieg von ihm auf.
    Die Kinder wichen ängstlich zurück, bis sie mit den Rücken zu den umliegenden Hütten und Gässchen standen.
    Hal kletterte unauffällig von der Mauer.
    Leif rappelte sich unbeholfen auf, wobei seine Stiefel im Matsch immer wieder wegrutschten. Er wandte den Zuschauern den Rücken zu, sein Mantel hing nass und schlaff herunter. Dann drehte er sich langsam um, hob beängstigend bedächtig den verklebten, matschigen Kopf und blickte sie an. Sie standen da wie versteinert.
    Dann stoben sie jäh auseinander wie die Samen einer Pusteblume bei einem Windstoß.
    Hal war der Flinkste. Zwar war das Gesicht seines Bruders völlig verschmiert, aber sein Blick war unmissverständlich gewesen. Hal sprang von der Mauer, und als er unten aufkam, hörte er seinen Bruder auf der anderen Seite hochklettern.
    Hal flüchtete sich in die Gasse, die an Unns Gerberei entlangführte. Seine Füße flogen förmlich, aber

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