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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Streifen Gänsefleisch vom Knochen. »Ist doch kein Wunder! Als ihr euch begegnet seid, hast du Dienerkleidung getragen. Durch so jemanden schaut er einfach hindurch, wenn er ihn überhaupt zur Kenntnis nimmt. Erst jetzt, wo du in den Farben deines Hauses gekleidet und ihm praktisch ebenbürtig bist, lässt er sich dazu herab, dich überhaupt wahrzunehmen. So einfach ist das. Er sieht dich sozusagen zum ersten Mal.«
    Hal schüttelte den Kopf. »Da bin ich aber froh, dass ich nicht so blind bin.«
    Das Essen nahm seinen Fortgang. Hals Eindruck von Hord Hakonsson bestätigte sich. Der Mann war ein Genussmensch. Er redete, aß und trank in einem fort, warf mit der einen Hand die abgenagten Knochen auf den Boden und hielt mit der anderen Hand seinen leeren Becher in die Höhe, damit ihm nachgeschenkt wurde.
    Ganz anders Olaf. Hords Bruder war fast so zierlich wie eine Frau gebaut, nicht der kleinste Bauchansatz war zu erkennen. Wo sein Bruder wie ein Bär schmauste, pickte Olaf auf seinem Teller herum wie ein mäkliger Vogel und drehte jeden Bissen so lange in den Fingern, dass Hal vom Zuschauen ganz benommen wurde und schnell einen Schluck Bier trinken musste, um wieder zu sich zu kommen. Als Tischgast machte Olaf keine gute Figur, fand Hal. Aber er blickte lebhaft in die Runde und raunte Hals Bruder irgendwelche Albernheiten zu, worauf Leif dümmlich kicherte und sich an seinem Gänsebraten verschluckte.
    Zu Hals großem Missfallen vertiefte sich seine Mutter Astrid in eine Unterhaltung mit Ragnar, als wäre er eine bedeutende Persönlichkeit. Hals Laune verschlechterte sich noch mehr, als er feststellen musste, dass Ragnars Antworten seine Mutter nicht etwa langweilten und ungeduldig werden ließen, sondern ihr jedes Mal schallendes Gelächter entlockten.
    Arnkel unterhielt sich höflich mit Hord und Ulfar. Brodir saß am Tischende neben Hal. Er hatte sowieso nicht viel zu sagen.
    Das Spanferkel wurde hereingebracht, das schon benutzte Geschirr abgeräumt. Dann stellte Hord Hakonsson schwungvoll seinen Becher hin und verkündete: »Dieses Essen ist eine mehr als angemessene Entschädigung, Arnkel! Es macht die sonderbare Vergiftung, die wir in eurer Obhut erlitten haben, wahrhaftig wieder gut.Wenn ich ›erlitten‹ sage, möchte ich nicht verschweigen, dass Olaf und ich eigentlich kaum davon betroffen waren, vielmehr hat es diesen verwöhnten Knaben hier erwischt. Er wäre beinahe dran gestorben.« Er beugte sich vor und zauste Ragnar das Haar. Ragnar erwiderte nichts, sondern blickte verbissen auf seinen Teller.
    »Und darum«, fuhr Hord fort, »wollen wir die dumme Geschichte vergessen und einfach eure Gastfreundschaft genießen. Mir gefällt vor allem dieser hübsche kleine Raum, in dem wir tafeln und den ich, verglichen mit unserer eigenen, weitläufigen Halle, ausgesprochen gemütlich finde. Hier gibt es so viele interessante Dinge zu sehen... zum Beispiel die geschnitzten Deckenbalken.«
    »Habt ihr denn in eurer Halle keine Schnitzereien?«, fragte Gudny.
    »Wahrscheinlich schon, meine Teure«, antwortete Hord, »aber die Decke ist viel zu hoch, als dass man irgendwelche Einzelheiten erkennen könnte.«
    Sein Bruder Olaf setzte aufgeräumt hinzu: »Also mir gefällt ja besonders, dass mein Essen zur Abwechslung mal warm auf den Tisch kommt. Bei unserer großen Halle ist der Weg zur Küche so weit, dass die Speisen oft schon kalt sind, wenn sie endlich aufgetragen werden.«
    Hal schielte zu seinen Eltern hinüber. Beide trugen ein gezwungenes Lächeln zur Schau.
    Hord fuhr versonnen fort: »Ja, die Verbundenheit unserer Familien ist wirklich eine feine Sache! Dabei muss ich an das Abenteuer denken, das unsere beiden verehrten Stammväter Hakon und Sven seinerzeit unten an der Küste bestanden haben. Ihr kennt die Geschichte sicherlich und werdet euch erinnern, dass Seeräuber dort etliche Siedlungen niedergebrannt hatten und dass allgemeine Ratlosigkeit herrschte, wie man ihnen Einhalt gebieten sollte. Hakon und Sven jedoch...«
    Aud beugte sich zu Hal hinüber. »Jetzt geht das wieder los! Weck mich, wenn er fertig ist.«
    »Aber das ist eine tolle Geschichte!«, widersprach Hal im Flüsterton. »Ich war allerdings der Meinung, Sven und Egil hätten die mutige Tat vollbracht.«
    »Es kommt immer drauf an, wer die Geschichte erzählt. Ich für meinen Teil habe gehört, es seien Arne und Ketil gewesen.«
    Hord war schon ganz in seinem Element und schlug mit der Pranke auf den Tisch, um seine Geschichte zu

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