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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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»Dafür ist der Boden einfach zu fruchtbar. Hier oben, wo praktisch Ödland ist, gedeihen sie natürlich prächtig.«
    »Euer Junge hier sollte sich lieber zurückhalten«, sagte Brodir, »denn er ist offenbar schwächlich wie eine Spitzmaus. Womöglich haut ihn schon eine einzige Multbeere wieder um.«
    Eisiges Schweigen senkte sich über die Gesellschaft. Hord sah seinen Sohn an, als wartete er auf eine Entgegnung, aber Ragnar starrte wieder verbissen auf seinen Bratenteller. Da lief Hord puterrot an und stand halb von seinem Stuhl auf. »Falls einer der hier Anwesenden meinen Sohn beleidigen möchte, möge er sich direkt an mich wenden.«
    Brodir lächelte. »Ich würde es niemals wagen, deinen Sohn direkt anzusprechen, ja ich würde ihn nicht einmal fragen, wie er heißt, weil ich befürchten müsste, dass er vor lauter Schreck tot umfällt. Man braucht ihn ja nur anzuschauen, dann sieht man gleich, dass er ein echter Nachfahre Hakons ist, dieses Drückebergers und Strauchdiebs.«
    Arnkel sprang so unvermittelt auf, dass sein Stuhl quietschend über die Steinfliesen scharrte. »Verlass sofort diese Runde, Brodir!«, rief er. »Das ist ein Befehl. Keine Widerrede!«
    Hals Onkel hatte glasige Augen. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht, sein Bart glänzte schon ganz feucht. »Mit Vergnügen«, entgegnete er. »Diese Tischgesellschaft schlägt mir ohnehin auf den Magen.« Er stand auf, knallte seinen Becher auf den Tisch und stapfte torkelnden Schrittes in Richtung Ausgang. Er schlug den Vorhang beiseite, der Stoff schwang zurück und schloss sich hinter ihm.
    In der Halle war es totenstill.
    Dann sagte Hals Mutter mit spröder Stimme: »Wenn du fürchtest, dass Aud diesen Winter die Kränk bekommen könnte,Vetter Ulfar, willst du uns dann nicht vielleicht die Ehre erweisen, sie so lange bei uns wohnen zu lassen?«
    Ulfars Antwort fiel noch spröder aus: »Vielen Dank, Astrid. Ich werde es mir überlegen.«
    Dann glotzten alle wieder stumm auf ihre Teller. Als eine unbestimmte Zeit vergangen war, kamen Eyjolf und die anderen Diener, begleitet von festlichem Rascheln und verführerischen Duftwolken, mit den noch warmen Multbeerkuchen herbeigeeilt.

6
    Eines besonders strengen Winters gingen Sven und seine Gefährten in den Hügeln auf die Jagd. Sven hatte seinen Bogen dabei, sein Schwert jedoch zu Hause gelassen. In den Kiefernwäldern wurden sie von hungrigen Wölfen angegriffen. Sven erlegte drei von ihnen mit Pfeilen, aber dann waren die Wölfe heran, und er konnte den Bogen nicht mehr benutzen. Eine große graue Wölfin verbiss sich in seinem Unterarm, im selben Augenblick sah er, wie ein anderes Tier seinen Freund Bork am Bein ins Gebüsch zerrte. Mit einem Satz war Sven bei den beiden, klemmte den Wolf unter den freien Arm und brach dem Vieh das Genick, als wäre es ein morscher Ast. Erst dann kam er auf den Gedanken, es mit der Wölfin, die immer noch an seinem eigenen Arm hing, genauso zu machen.
    Die Kiefer des Tieres waren jedoch so verkrampft, dass die Männer ihm den Kopf abhacken mussten. Sven kam mit dem Kopf am Unterarm nach Hause.
    »Gefällt dir mein neuer Armreif, Mutter?«
    Seine Mutter stemmte den Kiefer der Wölfin mit einem Brecheisen auf, kochte den Kopf aus und hängte ihn zu Svens anderen Trophäen über das Tor.
    Sobald es der Anstand zuließ, beendete man das Versöhnungsessen. Die Gäste zogen sich auf ihre Zimmer zurück und Hals Familie ging bedrückt zu Bett. Hal nahm eine Kerze und tappte den Flur zu den Schlafzimmern entlang. Vor Brodirs Zimmer blieb er stehen. Hinter der Tür war gedämpfter Lärm zu vernehmen: Schläge, Poltern und das Klirren von zerbrechendem Geschirr.
    Hal schlurfte weiter zu seinem eigenen Zimmer und machte sich bettfertig.
    Brodirs Benehmen war unverschämt gewesen, ein krasser Verstoß gegen die Regeln der Gastfreundschaft, aber Hal begriff nicht recht, warum. Sein Onkel war ja offenkundig schon vor Hords und Olaf Hakonssons überheblichen Äußerungen zornig und abweisend gegenüber den Gästen gewesen. Hals Mutter musste von dieser Feindschaft gewusst haben, sonst hätte sie Brodir nicht gebeten, der Gesellschaft fernzubleiben, und nach der unterkühlten Begrüßung von Hord und Brodir vermutete Hal, dass die beiden sich von früher kannten.
    Aber woher? Hal konnte sich nicht erinnern, dass oft die Rede von den Hakonssons gewesen war, als sein Onkel ihm von den Reisen und Abenteuern seiner Jugend erzählt hatte.
    Es war ein Rätsel, aber Hal war sicher,

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