Valley - Tal der Wächter
»dann bliebe die Schande nicht an uns kleben.«
Sein Vater seufzte bloß. »Ich habe längst entsprechende Gerüchte in Umlauf gebracht. Hoffentlich tun sie bald ihre Wirkung.Trotzdem muss ich mich bei diesen aufgeblasenen Schwachköpfen entschuldigen, sobald sie wieder einigermaßen auf dem Damm sind, und sie bitten, von rechtlichen Schritten abzusehen. Sie sind ein einflussreiches Haus, da ist es besser, man stellt sich gut mit ihnen.« Er nahm ein Hufeisen von Hals Unterarm, warf mit Gefühl und ließ es zielsicher um den Pflock trudeln. »Ich habe Ulfar Arnesson um Rat gefragt. Er ist ein angesehener Vermittler bei solchen Streitigkeiten. Er schlägt vor, dass wir die Hakonssons nach der Versammlung zu einem Versöhnungsmahl einladen. Leider will er selbst auch dazukommen. Wo es etwas Gutes zu essen gibt, ist Ulfar zur Stelle. Aber wie auch immer, ich muss jetzt wieder auf die Festwiese.«
Bei der Vorstellung, dass Ragnar Hakonsson in der großen Halle sitzen und tafeln sollte, wurde es Hal ganz flau im Magen. Zum Glück würde er selbst, Hal, dann nicht mit am Tisch sitzen. Ihm fiel etwas ein: »Bringt Ulfar seine Tochter zu der Einladung mit,Vater?«
»Seine Tochter?«, fragte Arnkel zurück. »Ist das etwa die ungepflegte Kleine mit dem verdreckten Kleid und einer Frisur wie ein Reisigbesen? Ich dachte, die gehört zu den Dienerinnen. Aber wenn dem so nicht ist, nehme ich schon an, dass sie an dem Festessen teilnehmen wird. Du übrigens auch.«
Hal fuhr zusammen. »Aber... ich bin doch ausgeschlossen! Überleg dir das lieber noch mal,Vater!«
»Bis dahin ist die Versammlung zu Ende und deine Strafe auch. Du wirst unserer Familie gewiss Ehre machen.Vielleicht freundest du dich sogar mit dem jungen Ragnar Hakonsson an – falls er sich bis dahin von seinen Magenschmerzen erholt hat. Ihn scheint es am allerschlimmsten erwischt zu haben.«
Zwei Tage später war die Versammlung zu Ende und Hals Strafe ausgestanden. Er lungerte vor dem Haus herum und sah von Weitem zu, wie die Zelte und Stände abgebaut, die Wagen und Pferde wieder beladen wurden. Fast alle Gäste waren schon am Vormittag abgereist und in einem langen Zug auf der Straße talabwärts verschwunden. Nur der Stand der Hakonssons war noch besetzt. Hal verzog sich ins Haus, wo die Vorbereitungen für das Versöhnungsessen bereits in vollem Gange waren. Man richtete für die Übernachtungsgäste Betten her und baute in der Halle die langen Tische auf. Laternen wurden angezündet, büschelweise würzig duftender Rosmarin an die Deckenbalken gehängt und neues Stroh auf dem Fußboden ausgestreut. Eyjolf und die übrigen Diener hatten das letzte Fass Bier aufgetrieben, das von der Zusammenkunft noch übrig war. In der Küche schwitzten die Köche. Ein Ferkel wurde geschlachtet und auf einen Bratspieß gesteckt, vom Fluss kehrten Männer mit frisch geangeltem Fisch zurück.
Hal sah dem Ganzen mit einer gewissen Beunruhigung zu und überlegte, unter welchem Vorwand er dem Essen fernbleiben könnte. Er suchte seine Mutter und erfand eine ganze Reihe Ausreden, doch sie ließ keine einzige gelten, und so musste er sich schließlich doch von Katla in seine Festtagskleider stecken lassen.
Er hatte die Kleider von seinem großen Bruder geerbt, was seine Laune auch nicht gerade hob. Die Jacke reichte ihm fast bis zu den Knien, die Hosen hingen am Hintern durch. Katla scherte sich nicht um seinen lautstarken Protest, sondern tätschelte ihm bloß sanft die Wange. »Ach, Hal, mein Lieber, musst du denn immerzu schimpfen und ein finsteres Gesicht machen? Was glaubst du wohl, weshalb deine Mitmenschen so schlecht auf dich zu sprechen sind? Wie alle Mittwinterkinder verströmst du nur Groll und Verdruss.«
»Dafür verbreite ich nicht so einen Gestank wie Leif! Sogar den Schweinen wird schlecht, wenn der vorbeigeht.«
»Davon habe ich nicht gesprochen, obwohl du damit nicht ganz unrecht hast. Du hast eine andere Wirkung auf deine Mitmenschen. Seit dem Tag, an dem du auf deinen dicken Beinchen die ersten Schritte dahergewackelt kamst, hast du selbst bei den Gutmütigsten Ärger hervorgerufen. Nimm dir zur Abwechslung einmal vor, freundlich zu sein und ein unschuldiges Gesicht zu machen! Ganz besonders gegenüber den Hakonssons, die dafür bekannt sind, dass sie schnell gekränkt sind. Gib acht, dass du sie nicht so finster anschaust. Es sind schon aus geringeren Anlässen Streitigkeiten ausgebrochen.«
Als es Abend wurde, versammelten sich Arnkel, Astrid,
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