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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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dass Brodir seine Gründe hatte, wenn das vielleicht auch nicht die Art und Weise rechtfertigte, in der er seinen Gefühlen Ausdruck verlieh. Als Hal so im Dunkeln lag und an die Decke starrte, grub er die Fingernägel in die Handflächen und wiederholte im Geiste die unzähligen Prahlereien und Überheblichkeiten, die sich Hord und Olaf während des Festmahls geleistet hatten. Nein, wie klein Svens Haus doch ist! Ärmlich, abgelegen und mit nicht genug Bediensteten. Und der große Sven selbst ein weibischer Hanswurst, der morgens kaum in der Lage war aufzustehen, ohne dass ihm die Hosen vom Hintern rutschten? Hal knirschte mit den Zähnen, als er sich daran erinnerte.
    Zwar tröstete es ihn ein wenig, dass sein gepanschtes Bier die Hakonssons krank gemacht hatte, aber letztlich war das bloß eine hinterhältige, eines Mannes unwürdige List gewesen. Ach, hätte er doch nur damals gelebt, als noch Helden mit umgegürteten Schwertern umherstreiften und jeden, der ihre Ehre verletzte, zum Kampf forderten! Ha, wie selbstbewusst wäre Hal damals aufgetreten! Nun ja, jedenfalls hätte er Hord und Olaf im Handumdrehen rausgeschmissen, wenn sie es gewagt hätten, seine Familie zu verhöhnen!
    Die Augen fielen ihm zu und Hal träumte vor sich hin: Sein Schwert blitzte in der Sonne, die Hakonssons winselten vor Angst. Aud lächelte ihn an und er schritt mit erhobenem Kopf einher. Die Trolde oben auf dem Hügel ergriffen die Flucht, wenn sie ihn nur kommen sahen.
    Die Bilder seiner Heldentaten hüllten ihn in wohlige Wärme. Hal schlief.

    Über ihm war dunkler Himmel. Irgendwo in der Nähe lauerte Gefahr. Hal wandte sich immer wieder nach allen Richtungen um, aber die unsichtbare Bedrohung befand sich immer genau in seinem Rücken. Zudem konnte er sein Schwert nirgends finden. Hal wurde immer panischer, bis er schließlich mit einem Aufschrei in die Höhe fuhr und feststellte, dass er sein Kissen heruntergestoßen und sich in seiner Decke verheddert hatte wie ein Karnickel im Fangnetz.
    Er blieb noch einen Augenblick liegen und versuchte, sich an seinen Traum und dessen Bedeutung zu erinnern. Aber Hal hatte alles vergessen und konnte nur daran denken, dass er scheußliche Kopfschmerzen hatte und dringend pinkeln musste. Das war nicht besonders bedeutsam. So ging es ihm immer, wenn er zu viel Bier getrunken hatte.
    Graues Licht fiel durchs Fenster. Hal kletterte mit steifen Gliedern aus dem Bett.
    Auch das noch! Sein Nachttopf war nicht da. Katla hatte ihn wohl ausgeleert und vergessen, ihn zurückzubringen. Die andere Möglichkeit, das Klosett, befand sich draußen auf dem kleinen Innenhof hinter der großen Halle, sodass Hal das Haus durch die Hintertür verlassen musste. Es war noch ganz früh am Morgen, am Himmel dämmerte es gerade erst ein wenig. Alles war in grauen Dunst gehüllt und lag reglos und schweigend da. Hals bloße Füße patschten leise über die alten Troldsteine und wurden von dem Tau auf dem Gras benetzt, das zwischen den Platten spross. Eine kühle Brise blies ihm um die Waden.
    Sein Geschäft nahm eine Weile in Anspruch und ließ ihn an die Frühlingssturzbäche denken, die jedes Jahr so manches Opfer forderten. Aber schließlich war er fertig, und es ging ihm ein wenig besser, auch wenn ihm immer noch der Schädel brummte.
    Als Hal wieder in den Hof hinaustrat, hörte er im Stall Stimmen.
    Er war zu weit weg, als dass er etwas hätte verstehen können, aber der Ton war zornig.Von dort, wo er stand, konnte er zwar erkennen, dass die Stalltür offen war, in den Stall hineinschauen konnte er jedoch nicht. Es waren eindeutig drei Männer, die sich dort drin stritten und einander ins Wort fielen, zwischendurch hörte man noch andere Geräusche – das Klirren von Zaumzeug und das Stampfen von Hufen -, woraus Hal schloss, dass jemand Pferde sattelte.
    Er kratzte sich den Nacken und überlegte. Dann huschte er geräuschlos quer über den Hof, kletterte auf einen Trog, der umgekippt an der Stallwand stand, suchte sich ein Astloch in den Brettern und spähte hindurch.
    In Türnähe saß Ragnar Hakonsson reisefertig gekleidet auf einer schönen grauen Stute. Seine Miene war angespannt, seine Gesichtsfarbe immer noch ungesund blass. Er beobachtete die Auseinandersetzung der drei Erwachsenen, die ein Stück weiter hinten standen.
    Mattes Morgenlicht fiel durch die Ritzen der Bretterwand, sodass es aussah, als würden die drei von geisterhaften Lichtspeeren durchbohrt. Zwei Laternen spendeten zusätzlich trüben

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