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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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verführt, mein Lieber, aber wenn dir niemand Einhalt gebietet, werden schlimmere folgen.« Katla seufzte, ihr Blick verschleierte sich. »Du wirst dich nicht mehr an Rorik von Slees Hof erinnern. Bei ihm ging es damit los, dass er aus den Hühnerställen der Nachbarhöfe Eier gestohlen hat. Da war er so alt wie du. Aber sein Vater hat ihn dafür nicht tüchtig genug verprügelt, wie sollte er sich da bessern?« Sie wiegte den Kopf. »Das Nächste, was wir hörten, war, dass er beim Streit um eine Milchkuh einen Mann umgebracht hatte und bei der Versammlung im folgenden Sommer gehängt wurde.«
    Hal machte ein entsetztes Gesicht. »Wie bitte? Die haben einen Jungen aufgehängt?«
    »Aber nein, da war er schon erwachsen.Aber ein schlechter Charakter schlägt schon früh Wurzeln, sag ich immer.«
    Hal machte ein finsteres Gesicht. »Danke für den guten Rat. Ich gehe jetzt.«
    Als er zur Tür stapfte, rief ihm Katla ängstlich nach: »Hal, mein Lieber, du willst doch hoffentlich nicht in die Hügel? Du weißt genau, dass nur erwachsene Männer an einem Begräbnis teilnehmen dürfen, und wenn du drauf aus bist, einen Trold zu sehen...«
    Hal lachte bloß. »Mach dir um mich keine Sorgen. Auf Wiedersehen, alte Amme.«
    Dann war er auch schon draußen und die keineswegs beruhigte Katla sah nur noch die Tür zufallen.

    In der Küche ließ Hall sich einen Laib frisches Brot mitgeben, einen ganzen runden Ziegenkäse und ein großes, in ein Tuch eingeschlagenes Stück Schinken. Er nahm sich auch zwei Trinkschläuche und füllte den einen mit Brunnenwasser und den anderen mit Wein. Das Ganze packte er in sein Bündel. Dann schlich er auf leisen Sohlen ins Zimmer seines Vaters.
    Auf der Bank in der Ecke stand Arnkels mit Eisen beschlagene Truhe aus abgegriffenem schwarzem Holz. Schon als kleines Kind hatte Hal hineinschauen dürfen, deshalb wusste er auswendig, was sie enthielt. Die Feldgerätschaften seines Vaters: eine Sichel für die Ernte, eine Sense zum Heckenstutzen, ein Heumesser und etliche andere Messer – manche hatte Grim angefertigt, andere stammten noch von Arnkels eigenem Vater.
    Doch auf dem Boden der Truhe lag ein ganz besonderes Messer, das Arnkel ausschließlich bei offiziellen Festessen oder für Tieropfer benutzte. Es war schlank, hatte einen langen Knauf und eine sehr, sehr scharfe Klinge.
    Hal nahm es an sich, schloss die Truhe und ging wieder in die große Halle.
    Die Halle war leer.An diesem Trauertag waren die meisten Männer oben auf dem Hügel, die Frauen woanders im Haus beschäftigt oder bei der Feldarbeit. Dort, an der Wand hinter dem Podest, hingen die kostbarsten Schätze des Hauses – Svens Rüstung und Waffen. Hal blickte zu dem vergammelten Bogen und dem zerschlissenen Köcher empor, dem ramponierten Schild und dem verbeulten Helm an seinem Haken. Auf dem Helm verweilte sein Blick länger. Auf der zerschrammten Wölbung, dem Nackenschutz und dem Nasenstück glänzte die Sonne, die Augenschlitze aber waren schwarz, kalt und ausdruckslos.
    Hals Blick wanderte weiter zu dem gemauerten Wandbord mit der kleinen Kiste darauf. Er sah sich noch einmal um. Kein Mensch da.
    Hal stellte sich auf die Zehenspitzen und hob die Kiste herunter. Sie war überraschend schwer und er hätte sie um ein Haar fallen lassen. Das Holz war dunkel und voller Kerben. Mit heftig klopfendem Herz und sich immer wieder umsehend, versuchte er, den Deckel zu öffnen, spürte den Widerstand und das Knirschen splitternder Holzfasern, als der Deckel mit einem Mal nachgab.
    In der Kiste blinkte etwas.
    Hal sah sich noch einmal um. Er spitzte die Ohren: Irgendwo ganz in der Nähe schimpfte Eyjolf mit einem Diener, er hörte im Zimmer seiner Schwester den Webstuhl klappern und Kinderlachen draußen im Hof. Einen flüchtigen Augenblick spürte er, wie sehr ihn all diese vertrauten Dinge an die Geborgenheit seines Elternhauses banden.
    Sein Blick fiel auf den Tisch mitten im Raum. Darauf lag ein zerknülltes weißes Laken, umgeben von welkenden Blumen.
    Dort war Brodir aufgebahrt gewesen. Hal betrachtete den Tisch, dann kippte er die Kiste aus und ließ Svens Silbergürtel in seine Hand fallen. Der Gürtel war kalt, schwer und klein zusammengefaltet. Ohne ihn lange anzusehen, steckte Hal ihn in sein Bündel. Dann stellte er die Kiste wieder auf das Bord, sodass alles aussah wie vorher, warf sich das Bündel über die Schulter und lief hinaus.

    Hal verließ Svens Haus auf einem Schleichpfad, kletterte über die Troldmauer und

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