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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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war im Anmarsch! Entschlossenen Schrittes wandte er sich ostwärts.
    Gegen Abend bewölkte sich der Himmel, und es fing an zu regnen – ein trübseliger, unaufhörlicher Nieselregen, der leise auf den Farn am Wegrand und auf Hals Kapuze fiel. Er kam an zwei Eichen vorbei, die ihm einigermaßen Schutz geboten hätten, denn der Boden unter ihren Laubdächern war trocken. Hal blieb stehen, überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. Hätte sich Sven von einem bisschen Regen aufhalten lassen? Wohl kaum! Bis zur Dämmerung konnte er noch ein gutes Stück Weg zurücklegen. Hal schob trotzig das Kinn vor und marschierte weiter, schwang dabei übertrieben die Arme, als forderte er den Regen heraus.
    Die Straße wand sich jetzt durch eine baumlose Einöde aus Rübenfeldern und Ufergestrüpp, die jede Hoffnung auf einen Unterschlupf im Keim erstickte.Aus dem Nieseln wurde ein kräftiger Regen, der dann in einen regelrechten Wolkenbruch überging. Im Handumdrehen war Hal klitschnass. Der Regen peitschte ihm ins Gesicht, kleine Sturzbäche schossen quer über die Straße und sammelten sich zwischen den geborstenen Steinplatten. Hal gab sein stolzes Einherschreiten auf und flitzte um die Pfützen herum, bis er im Halbdunkel vor sich ein Licht schimmern sah.
    Hal patschte näher und erblickte eine verfallene Hütte, die am Ende eines schmalen Pfades ein Stück von der Straße zurückgesetzt stand. In einem Fenster flackerte eine matte Kerzenflamme.
    Hal stolperte darauf zu und klopfte an.
    Stille. Um den schlimmsten Sturzbächen zu entgehen, drückte sich Hal dicht an die Tür und klopfte noch einmal, diesmal kräftiger. Durch die Erschütterung löste sich eine Dachschindel und fiel klatschend in eine Pfütze, wodurch Hal noch nasser wurde. Da wurde die Tür aufgerissen. Hal verlor das Gleichgewicht und taumelte gegen einen im Gegenlicht nur umrisshaft zu erkennenden, gebeugten alten Mann in zerlumpten Kleidern. Abgesehen von den struppigen schlohweißen Augenbrauen, buschig wie Distelgestrüpp, war der Alte so gut wie kahl. Die Augen unter den Brauen starrten Hal in stummem Entsetzen an.
    Hal gewann seine Haltung wieder. »Guten Abend.«
    Der Alte erwiderte nichts, aber in seinem Blick standen tausend Ängste.
    »Ich bin auf der Straße talabwärts unterwegs«, fuhr Hal munter fort, »und habe noch einen weiten Weg vor mir. Wie dir sicher schon aufgefallen ist, regnet es ein bisschen...« Er deutete über die Schulter auf das Unwetter. Die Miene des Alten wurde nicht entgegenkommender, ganz im Gegenteil. Er sah noch verstörter aus als zuvor.
    »Da dachte ich mir«, fuhr Hal fort, »ob ich nicht vielleicht, weil es so gießt und weil es doch eine ziemlich einsame Gegend ist, sodass man hier nicht gern im Freien übernachtet, also ich dachte mir, ob ich da wohl... ob ich vielleicht...« Der unverwandte Blick des Alten brachte ihn aus der Fassung, und er stockte, dann beendete er den Satz holterdiepolter: »... heute Nacht hier bei dir unterkommen könnte.«
    Daraufhin blieb es lange still, nur der Regen pladderte Hal in den Kragen. Schließlich kratzte sich der Alte die Nase, schürzte die Lippen und erwiderte: »Du willst reinkommen?«
    »Ganz recht.«
    Der Alte gab ein skeptisches Brummen von sich. »Einmal verlangte ein Wiesenkobold Zutritt zu einer Hochzeitsfeier«, sagte er bedächtig. »Die Braut hatte ihn eingeladen, weil sie hoffte, die Einladung würde ihn besänftigen und ihr und ihrem Mann Glück bringen. Der Kobold trug elegante Stiefel und einen Maulwurfsmantel, benahm sich vorbildlich, danke schön hier und bitte schön dort. Aber als man zu Tisch ging, war er plötzlich beleidigt – er wollte unbedingt neben der Braut sitzen. Da ihm dies verweigert wurde, riss er sich blitzschnell den Mantel vom Leib, sprang auf den Tisch, verpasste dem Ehemann eins auf die Nase, ohrfeigte die Braut, pinkelte in den Brautbecher und rauschte durch den Schornstein hinaus, wobei das ganze Dachgebälk von seinen unanständigen Flüchen widerhallte.«
    Der Alte starrte Hal immer noch unter buschigen Augenbrauen an. Hal wischte sich den Regen aus dem Gesicht und räusperte sich. »Das soll dann wohl ›Nein‹ heißen, stimmt’s?«
    Zu seiner Überraschung schüttelte der Alte den Kopf. »I wo, komm ruhig rein, auch wenn ich es hinterher womöglich bereue. Immerhin siehst du einigermaßen wie ein Mensch aus, auch wenn du mir sicherlich die Kehle durchschneidest, sobald ich dir den Rücken zuwende.« Er zuckte resigniert die

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