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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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schroff der Eckzahn. Er begegnete niemandem und das war ihm gerade recht. Nach seinem Wortwechsel mit Katla nahm man sicherlich an, er sei aus Neugier auf das Begräbnis und die Trolde zu den Hügelgräbern hinaufgestiegen. Sollten sie das ruhig glauben – umso besser! Dann würde man ihn zuallererst oben auf dem Hügelkamm suchen. Bis seinen Eltern aufging, wohin er tatsächlich wollte – falls sie überhaupt darauf kamen -, hätte er schon die halbe Strecke zu Hakons Haus zurückgelegt und wäre seinem Ziel, der Rache für seinen Onkel, nahe.

    Brodir war kein besonders umgänglicher Mensch gewesen, und in den letzten Tagen hatte Hal verbittert feststellen müssen, dass sein Tod nicht vielen naheging. Der Mord hatte Empörung ausgelöst, das schon, aber die meisten Bewohner von Svens Haus teilten die Ansicht von Hals Mutter, dass man dafür schon bald vor Gericht eine vorteilhafte Entschädigung erstreiten würde.
    Mit Hal verhielt es sich anders. Sein echter Kummer war zudem von geheimen Schuldgefühlen überschattet. Hätte er den Hakonssons nicht so einen bösen Streich gespielt, wäre es gar nicht erst zu dem Streit bei dem Versöhnungsessen gekommen. Hal war zwar bewusst, dass Brodirs Spottlust und Hords Überheblichkeit den Streit erst entfacht hatten, aber seinen eigenen Anteil daran konnte er vor sich nicht verleugnen.
    Zu Hause in seinem Bett hatte ihn diese Erkenntnis in etlichen schlaflosen Nächten gequält. Hier draußen, unter freiem Himmel, mit dem weichen Gras unter den Sohlen und den in der Ferne lockenden Bergen, verflüchtigten sich die bedrückenden Schuldgefühle ein wenig. Sie plagten ihn zwar immer noch, aber nur so sehr, dass er sein Vorhaben weiterverfolgte.
    Wie er Olaf eigentlich umbringen wollte, wusste er noch nicht, nur dass er es sich fest vorgenommen hatte. Mit finsterer Miene stapfte er einen sonnenbeschienenen Abhang hinunter. Jetzt, da der Mörder unbehelligt wieder in seinen eigenen vier Wänden angelangt war, fühlte er sich gewiss sicher. Bestimmt saß er in seiner Halle, zechte und lachte sich ins Fäustchen, dass er ungeschoren davongekommen war. Was kümmerte es Olaf, wenn er ein, zwei Felder abtreten musste? Er war ein wohlhabender Mann. Der Preis war gering und tat seiner Ehre keinen Abbruch. Sollten ihn die Schiedsherren und -frauen doch zu einer saftigen Entschädigung verurteilen – das machte ihm, Mitglied einer einflussreichen Familie, nichts weiter aus. Und ganz sicher leisteten ihm Ragnar und Hord Gesellschaft, teilten seine Schadenfreude, warfen die Köpfe in den Nacken und rissen lachend die bärtigen Mäuler auf. Mal sehen... vielleicht mussten sie ebenfalls sterben.
    Von seinem aufwallenden Zorn ganz benommen, setzte Hal seinen Weg durch das menschenleere Hochland fort, wanderte querfeldein durch Wiesen und Haine und machte immer wieder einen Bogen um die kleineren Höfe. Dabei ging er stetig bergab. Auf einem Findling auf einer Weide stärkte er sich mit einem kleinen Imbiss, legte sich anschließend in die warme Sonne und streckte die müden Beine aus. Als er wieder aufwachte, war der Nachmittag schon weit fortgeschritten, und über den Berggipfeln im Norden ballten sich dunkle Wolken. Darum brach er unverzüglich wieder auf und erblickte nach kurzer Zeit endlich die Talstraße.
    Diese Straße war eigentlich ein etwas breiterer Feldweg, aber mit unebenen Steinplatten gepflastert, ziemlich ausgefahren und in schlechtem Zustand. Hal wunderte sich ein wenig darüber. Schließlich verband die Talstraße die Gehöfte seines Hauses mit dem Untertal, da hatte er sich schon etwas Eindrucksvolleres vorgestellt. Doch seine Enttäuschung dauerte nicht lange. Noch nie war er bis in die Mitte des Tals vorgedrungen und die Straße würde ihn an den Wasserfällen vorbei bis hinunter zu Hakons Haus und darüber hinaus zum fernen Meer bringen.Wenn das nicht aufregend war! Ungeduldig stürmte er den Abhang hinunter und stand kurz darauf auf dem holprigen Pflaster.
    Damit verließ er zum ersten Mal in seinem Leben den Besitz seiner Eltern, denn die Straße bezeichnete zugleich dessen Grenze. Im Norden, jenseits der Senke, in der man den Fluss rauschen hörte, erstreckten sich die Felder von Ruriks Haus. Hal blieb kurz stehen und ließ die vielen neuen Eindrücke auf sich wirken. Dann holte er das Messer seines Vaters aus seinem Bündel und schob es unter den Bund seiner Hose, gleich unter den Silbergürtel. Seine Feinde sollten sich gefälligst in Acht nehmen! Hal Svensson

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