Vampir-Expreß
blasser. Dragan sah sich genötigt, Vera zu stützen.
»Stimmt das?« hauchte sie, als sie sich wieder gesetzt hatte.
»Ja.«
Jetzt weinte sie. Mochte die Tante gewesen sein, wie sie wollte, sie hatte Vera schließlich erzogen, und deshalb trauerte sie um die Tote. Verständlich. Dragan hielt sie umschlungen und wandte sich mit seinen Fragen wieder an mich. »Wie konnte es geschehen, dass Sie die Frau…«
»Sie war ein Vampir und nicht nur sie.«
»Was?«
»Ja, sie war ihrem unheilvollen Trieb nachgegangen und hatte bereits zwei Menschen in ihren Bann geschlagen. Es tut mir leid, aber es ist nun leider nicht mehr zu ändern.«
»Haben Sie die beiden anderen auch…?«
»Sicher. Und wir hatten Glück, dass sie noch nicht zugebissen hatten. So ist das nun mal, wenn man sich mit den Blutsaugern einlässt. Tut mir wirklich leid.«
»Nein«, sagte Dragan, »wir können froh sein, dass alles so gekommen ist.« Er schaute auf seine Schuhspitzen. »Wenn ich daran denke, was noch alles hätte passieren können…«
»Sorry, aber ich muss Sie unterbrechen. Noch sind vier Vampire in Freiheit.« Er schaute auf. »Die… die…«
»Eben. Die Blutsauger aus den Särgen.«
»Meine Güte, wo stecken sie?«
»Wahrscheinlich warten sie in Petrila auf uns. Aber darüber haben wir ja schon gesprochen. Ich will, dass keiner der Reisenden den Zug verlässt. Daran sollten Vera und Sie sich auch halten. Versprechen Sie mir das?«
»Ist doch klar.«
Vera hatte die Worte auch gehört, ging aber nicht darauf ein, sondern hob den Kopf. »Kann ich meine Tante vielleicht mal sehen?« fragte sie mit leiser Stimme.
»Vielleicht später.«
»Gut, wie Sie meinen.«
Ich stand auf und schaute aus dem Fenster. Tagsüber wäre mir die Gegend vielleicht bekannt vorgekommen, falls wir uns in der Nähe von Petrila befanden. Doch in der Nacht sind alle Katzen grau. Ich starrte in die Dunkelheit, sah die düsteren Hügel, die geschwungenen Bergrücken und das seltsame Glänzen auf den Spitzen. Es besaß einen Farbton zwischen grau und weiß. So leuchtete eben der Schnee. Das Tal hatten wir mittlerweile erreicht, denn wir rollten nicht mehr bergab.
Ich wurde das Gefühl nicht los, dass es nur noch Minuten dauerte, bis wir eintrafen. Noch einmal schärfte ich den beiden ein, im Abteil zu bleiben, dann trat ich wieder hinaus auf den Gang. Natürlich hatte sich die Unruhe noch nicht gelegt. Nach wie vor wurde diskutiert und gesprochen. Ich wich allen Fragen aus, baute mich an einer Tür auf und wartete.
Der Zug wurde langsamer. Wenig später schüttelten erste Bremsstöße den Wagen. Ich vernahm das Kreischen der Räder und tat etwas, das normalerweise verboten war. Ich drückte die Tür auf. Gegen den Fahrtwind musste ich mich anstemmen, schaffte es aber, hielt mich fest und drehte meinen Kopf nach rechts. Ich starrte in die Dunkelheit und glaubte, in der Ferne wenige Lichter zu sehen. Das konnte Petrila sein.
Kalt war es. Der eisige Wind schnitt in mein Gesicht. Ich zog die Tür wieder zu und überprüfte meine Waffen. Sie waren okay. Durch die Scheibe schaute ich und suchte den Himmel ab. Vielleicht waren die Vampire irgendwo zu sehen. Wenn sie warteten, würden sie sicherlich durch die Luft schweben und ihre drohenden Kreise ziehen. Es war wenig zu erkennen, da mir der Dunst einen Großteil der Sicht nahm. Sie waren da, das spürte ich. Wir hatten unser Ziel erreicht. Der Vampir-Express lief in Petrila ein…
***
Noch einmal schaute sich Marek nach den Blutsaugern um. Vergeblich, sie waren verschwunden.
Einen hatte er erledigt, ein weiterer war zusammen mit Suko durch das Dach gebrochen, und diese Tatsache bereitete dem alten Vampirjäger die größten Sorgen.
Einen Augenblick lang zögerte er noch, hob den rechten Fuß und donnerte gegen die Tür. Zuerst entstand der Krach, danach das Splittern, dann war der Weg für Marek frei.
Er bekam die Tür nicht einmal ganz auf, weil ein sperriges Hindernis im toten Winkel lag. Erkennen konnte er auch nicht viel. Staubwolken nahmen ihm die Sicht, hinzu kam die Dunkelheit, die aber noch ein dunklerer Schatten durchbrach.
Das war der Vampir!
Von Suko sah der Pfähler nichts, er stellte nur fest, dass sich der Schatten bewegte und dabei nach vorn beugte, wobei die Flügel zusammenschlugen, als wollte er jemand damit umarmen. Marek konnte sich sehr leicht vorstellen, was dies zu bedeuten hatte. Wenn Fledermäuse so reagierten, brauchten sie erst kein Opfer zu suchen, dann hatten sie bereits
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