Vampir-Legende
Gesichter waren so bleich, daß ich sie genau erkennen konnte, bösartige, glatte Fratzen, auf eine gewisse Art und Weise faszinierend und auch erotisch, und sie waren gut, sogar verdammt gut, denn sie beherrschten die Kräfte der Natur.
Mit einem heftigen Ruck stiegen sie hoch!
Sie jagten in den nachtdunklen, wolkigen Himmel hinein, als wollten sie den Mond küssen.
Ich hatte auf sie anlegen wollen, mußte die Beretta jedoch sinken lassen, denn sie waren einfach zu schnell für mich und die Kugel. Wie zwei flatternde Schattenwesen glitten sie höher in den Himmel, und ich wußte nicht, ob sie sich dabei in große Hedermäuse verwandelten oder nicht.
Schon sehr bald hatten die Wolken sie verschluckt und würden sie auch so leicht nicht mehr hergeben.
Ich hatte das Nachsehen.
Natürlich war ich sauer, aber ich wußte auch, daß es sie gab. Ich hatte sie gesehen, ich würde sie identifizieren können. Sie waren bestimmt nicht namenlos, denn auch in einem Hotel wie diesem mußte man sich eintragen.
Ich wartete noch eine Weile ab, aber sie kehrten nicht mehr zurück.
Dann suchte ich die Mordwaffe, fand das Messer nicht weit von mir entfernt und legte ein Taschentuch darum, bevor ich es aufhob.
Der große Streß war vorbei. Die Müdigkeit hatte sich in meine Glieder geschlichen und machte sie schwer.
Es lag nicht nur an der Hektik, die uns umfangen gehalten hatte, sondern auch am Wetter, denn im Gegensatz zu London war dieses Klima hier nichts für uns, zumindest nicht in dieser Jahreszeit.
Mit müden Schritten bewegte ich mich auf eine Klappe zu, die ich nur anzuhieven brauchte. Darunter lag der Zugang zum Hotel. Ich ging über eine Holzstiege in die zweite Etage hinein und erreichte damit die Hektik und Unruhe.
Die Polizisten hatten die einzelnen Etagen abgesperrt. Auch mich wollte man aufhalten, als ich von oben kam. Der Uniformierte griff sogar nach der Waffe.
Zum Glück tauchte hinter ihm Abe Douglas auf, der die Sache klärte. Ich drückte mich an dem Wachtposten vorbei und nahm noch dessen Schweißgeruch wahr.
»Was hast du erreicht?« fragte der Abe.
»Nicht viel.«
»Wieso?«
»Erzähle ich dir gleich. Zuvor noch eine andere Frage. Habt ihr die Namen der beiden Männer herausbekommen?«
»Ja, es sind Brüder. Der Blonde heißt Jacques Lacourte, der andere mit Vornamen Igor.«
»Gut. Und weiter?«
»Nichts weiter.«
»Habt ihr die Namen nicht abchecken lassen?«
»Ja, das haben wir, aber es ist nichts dabei herausgekommen. Sie waren nicht registriert.«
»Das dachte ich mir.«
»Weißt du mehr?«
Ich hob die Schultern. »Alles, was ich sah, ist Spekulation. Sie sind mir entwischt, Abe, das mal vorweg.«
»Entwischt?«
»Ja.«
»Wie denn?«
Ich deutete nach oben.
Douglas bekam große Augen. »Durch die Luft?« hauchte er. »Das kann doch nicht wahr sein.«
»Es ist aber so.«
Der G-man holte tief Luft. »Na denn«, sagte er und strich über seine Haare. »Da werden wir ja noch Spaß bekommen, denke ich…«
In den frühen Morgenstunden erreichten wir endlich unser Hotel und waren froh, uns in die Betten werfen zu können. Viel tun konnten wir nicht, eine Fahndung lief, und es würde auch sehr intensiv nach der Herkunft der beiden Brüder geforscht werden.
Das konnten wir den Experten überlassen. Uns war der Schlaf wichtiger, und die folgenden Stunden rauschten tief und traumlos an mir vorbei.
Ich wurde wach, weil die Sonne in mein Zimmer in der achtzehnten Etage schien und mich zwang, die Augen zu öffnen. Ich kam mir wie zerschlagen vor, müde, hörte das Summen in meiner Nähe und stellte fest, daß es die Klimaanlage war. Mühsam kam ich hoch, blieb auf der Bettkante sitzen, stöhnte und rieb dabei mein Gesicht.
Es war nicht meine Nacht gewesen, und wie es so aussah, würde es auch nicht mein Tag werden. Blei in den Knochen, Blei im Kopf, keine Lust und das Wissen, auf der Todesliste zweier Vampir-Brüder zu stehen.
Ich kannte mich und wußte auch, daß die Welt nach einer Dusche wieder ganz anders aussehen würde.
Davon hielt mich zunächst das Telefon ab, das auf dem Nachttisch summte.
Ich wußte, wer es war und verzog das Gesicht, weil Sukos Stimme so frisch klang. »Bist du fertig, John?«
»Wie meinst du?«
»Ich wollte eigentlich frühstücken.«
»Geh schon mal vor.«
Suko lachte. »Weißt du eigentlich, wie deine Stimme klingt?«
»Ja, das höre ich selbst. Du brauchst mir nichts zu sagen. Ich kann dir versichern, daß ich die Minibar nicht ausgeräumt
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