Vampir-Legende
die Beamten würden sich um die Zeugen kümmern müssen, wir aber wollten von der jungen Frau wissen, wo die Zimmer der beiden lagen.
»Sie hatten nur ein Zimmer.«
»In welcher Etage?« fragte Abe.
»Es ist die erste. Sie müssen ganz durchgehen. Der letzte Raum auf der linken Seite.«
»Danke.«
»Das Zimmer geht zum Hof.«
Wir verschwanden, bevor noch die Kollegen eintrafen. Ihnen Rede und Antwort zu stehen, hätte zuviel Zeit gekostet. Einen Lift gab es in dem Hotel nicht. Wir mußten die Treppe nehmen.
Unsere Hände strichen über das glatte Geländer hinweg, die Tritte wurden durch einen abgetretenen Teppich auf der Flurmitte gedämpft.
Der Flur war dunkel. Es lag an den ebenfalls dunklen Mahagoniwänden.
Nur wenige Messinglampen gaben ihren Lichtschein ab, der über das Holz hinwegfloß.
Das letzte Zimmer auf der linken Seite.
Wir erreichten es gleichzeitig und hatten auch unsere Waffen gezogen.
»Wer zuerst?« fragte Suko.
Ich griff bereits nach der Türklinke, dann stürmte ich in den Raum, wischte sofort nach rechts, während Suko zur anderen Seite hin abtauchte und nur unser Freund Abe auf der Schwelle stehenblieb.
Seine und unsere Waffen wiesen in einen Raum, der von seinen Mietern verlassen worden war. Sie waren durch das Fenster verschwunden und hatten es auch nicht wieder verschlossen. Ich beugte mich hinaus.
Unter mir befand sich der Hof, in dem einige Autos abgestellt waren. Von der gegenüberliegenden Hausseite fiel ein schmaler Lichtstreifen auf die Wagen, doch nichts bewegte sich in ihm. Die beiden Vampire hatten das Weite gesucht.
Meine Freunde durchwühlten das Zimmer. Sie fanden zwei Koffer und waren recht zufrieden. Wenn die Vampire hier persönliche Dinge hinterlassen hatten, war es durchaus möglich, ihnen auf die Spur zu kommen. Möglicherweise wollten sie ihre Sachen auch wieder abholen, denn die Flucht war überstürzt gewesen, und so hatten sie sich den Abgang bestimmt nicht vorgestellt.
»Wir werden das Zimmer unter die Lupe nehmen!« versprach der FBI-Agent. Das sollte er meinetwegen, ich hatte etwas anderes vor. Mein Gefühl sagte mir, daß die beiden Blutsauger nicht allzu weit geflohen waren. Sie hielten sich bestimmt in der Nähe versteckt, um das Haus zu beobachten, und vielleicht konnte ich sie finden.
Ich trat auf den Balkon, stützte mich auf die Brüstung und blickte in die Tiefe. Für einen Sprung war es nicht zu hoch. Weder für die Blutsauger noch für mich, und bevor ich den Kollegen in die Arme lief, was bestimmt geschah, wenn ich den normalen Weg nahm, würde ich in den Hof springen.
Mit der Ruhe war es vorbei. Der Krach an der Vorderseite des Hauses hallte über das Dach hinweg und erreichte auch meine Ohren. Der Klang der Sirenen hatte sich vervielfacht, und der schwache Widerschein eines Rotlichts fuhr über den Himmel.
Ich brauchte nicht nach unten zu springen, denn über mir hörte ich plötzlich Stimmen.
Zuerst dachte ich daran, daß sich jemand auf einen der Balkone in der zweiten Etage aufhielt. Ich beugte mich weit über die Brüstung hinweg, drehte dabei Körper und Kopf nach links, um so in die Höhe schauen zu können.
Viel bekam ich nicht zu sehen. Treibende Wolken vor einem fast vollen Mond. Die dichte Bank war weiter aufgerissen, der Wind hatte sich leicht verstärkt, und die Wolkenränder bekamen einen grünlichblauen Schimmer, wenn der Mond sie anstrahlte.
Die Stimmen hatte ich gehört, daran gab es keinen Zweifel. Flüsternde Worte, und ich hatte nicht herausgefunden, ob sie von einem Mann oder einer Frau abgegeben worden waren.
Am Dachrand bewegte sich ein Schatten entlang. Nein, kein Schatten, eine Gestalt, denn das weiße Hemd war deutlich zu erkennen.
Ein Mann.
Der Vampir?
Ich zögerte nicht mehr. Während Suko und Abe das Zimmer verlassen hatten, um mit den Kollegen zu sprechen, die in das Hotel hineingestürmt waren, kletterte ich an einem Verandapfosten in die Höhe und kam mir dabei vor wie ein Schüler, der sich in der Turnhalle an der Metallstange hochziehen muß.
Es klappte besser, als ich gedacht hatte. Auf den anderen Baikonen befand sich niemand. Ich kletterte am nächsten Pfosten in die Höhe und sah vor mir den Dachrand.
Mit beiden Händen klammerte ich mich fest. Meine Füße hatten jetzt keinen Halt mehr, sie baumelten. In dieser Lage war ich verwundbar, ich mußte sie so rasch wie möglich überwinden. Klimmzug, einen Fuß in die Dachrinne, so arbeitete ich mich hoch. Dann wälzte ich mich auf das
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