Vampir-Legende
aufstiegen, als wollten sie die Wolken erreichen.« Ich hob die Schultern. »Es war ein Bild, das ich nicht vergessen kann. Sie standen vor mir, dann hoben sie ab, plötzlich kippten sie, und dann waren sie plötzlich weg.« Ich runzelt die Stirn und fügte leise hinzu: »Dabei haben sich die beiden nicht in Hedermäuse verwandelt. Sie müssen wirklich etwas Besonderes sein.«
»Und sind wieder in Action«, bemerkte Douglas.
»Okay«, sagte ich und nickte. »Wir haben einen Vorteil. Vor uns liegt ein ganzer Tag. Wie es aussieht, wird dieser Tag sonnig werden, und ich könnte mir vorstellen, daß es nicht eben das ideale Wetter für unsere beiden Bluttrinker ist. Wir werden die Stunden nutzen.«
Abe Douglas lächelte. »Mein Wagen steht in der Hotelgarage. Wir können sofort starten.«
»Moment noch.« Ich deutete auf den leeren Teller, auf dem einmal die Bohnen gelegen hatten.
»Das Zeug hat mich durstig gemacht. Ich werde mir noch Saft holen.«
»Tu das.«
Ich setzte mich nicht mehr hin, sondern leerte das Glas am Büffet stehend. Neben mir stand eine junge Frau und lächelte mich an. Ich lächelte zurück und wünschte ihr noch einen schönen Tag.
»O danke, den werde ich bestimmt haben, Mister.«
Ich nicht, gab ich zurück. Aber nur in Gedanken, denn ich wollte nicht die Frau enttäuschen…
***
Sie standen in der großen Halle des Hauses und umarmten sich. Sie hatten kein Licht gemacht, die Vorhänge waren zugezogen worden, so daß das Innere des wieder aufgebauten Hauses einem großen Schattenreich glich, in dem es leer war, denn auf Möbelstücke hatten die Brüder verzichtet. Das brauchten sie nicht in ihrer Welt.
Dafür war der Boden der Halle mit schwarzen Symbolen bemalt worden, die nur Eingeweihten bekannt waren. Zwischen den Symbolen hockten ungewöhnliche Tiere, die aussahen wie Kreuzungen aus Katzen und Wölfen, aber eines gemeinsam hatten.
Weit aufgerissene Mäuler, aus denen spitze Vampirzähne hervorragten wie Messer.
Es war ihre Welt.
Es war ihre Vergangenheit, ihre uralte Vergangenheit, ihr archaisches Leben.
Sie schauten sich an und lächelten dabei. Sie zeigten sich gegenseitig ihre Blutzähne, und sie ergötzten sich dabei am Funkeln in ihren Augen.
Der blonde Blutsauger wirkte immer mehr wie ein Engel oder ein Zwitter, weil das Weibische bei ihm zum Vorschein kam. Das Gesicht hätte auch einer Frau gehören können, so weich war es geschnitten und konturiert.
»Es war gutes Blut, das wir bekommen haben«, flüsterte Igor. »Ich hätte es auch nicht mehr länger ausgehalten.«
»Stimmt, aber wir müssen vorsichtig sein. Ich habe immer wieder an den Mann denken müssen.«
»An den mit dem Kreuz?«
»Ja.«
Auch Igor nickte. Und er behielt das Nicken bei, als er einige Schritte zur Seite ging. »Dieser Mann ist ungewöhnlich, Bruderherz. Ich will nicht unbedingt schwarzsehen, aber ich könnte mir vorstellen, daß wir ihm nicht entkommen wären, hätten wir nicht unsere besonderen Kräfte besessen, das Erbe der Vergangenheit.«
»Was meinst du genau?«
Igor drehte sich wieder um, damit er seinen Bruder anschauen konnte.
Im Gegensatz zu Jacques war er derjenige, der weniger emotional reagierte, abgesehen davon, wenn ihn ein plötzlicher Blutrausch überkam. Auch jetzt machte sich dieser Unterschied wieder bemerkbar, denn er hatte diesen Mann besonders unter Kontrolle gehalten und sich dabei auch auf sein Kreuz konzentriert.
»Ich möchte mit dir über das Kreuz sprechen, Bruder.«
Jacques winkte ab. »Warum? Es kann uns nichts anhaben. Wir haben es gesehen, und wir…«
»Haben fliehen müssen, Bruder.« Igor ging wieder auf Jacques zu. »Ja, wir haben fliehen müssen, denn dieses Kreuz besaß eine Besonderheit, wie du weißt.«
»Nein…« Die Antwort klang unsicher und zögernd.
»Hast du nicht das Auge gesehen?«
»Das… Auge…?«
»Ja, das Allsehende Auge. Ich habe es gespürt. Es war wie ein Schlag, und es war gut, daß wir so schnell verschwunden sind. Dieser Mann ist gefährlich, und ich denke, daß er uns auf der Spur bleiben wird, da er sie schon aufgenommen hat.«
»Dann müßte er herkommen, Bruder.«
»Damit rechnete ich sogar.«
Jacques Lacourtes Mund zeigte ein widerliches Lächeln. »Könnte uns Besseres passieren, Igor?« Er legte seine Hände auf die Oberarme des Bruders. »Könnte uns wirklich etwas Besseres passieren? Wir werden ihn packen, wir werden ihn fangen, und wir werden sein Blut trinken. Das Blut unserer Feinde hat uns schon immer mehr
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