Vampir sein ist alles
Kreuzung aus Vampir und Mensch. Soweit ich wusste, war Mátyás der einzige, den es je gegeben hatte. Klassische Vampire wie Parrish waren tot. Ihre Haut war kalt, sie mussten weder essen noch atmen, ihre Haare wuchsen kaum und, nun ja, sagen wir mal so: Eine Samenbank wäre nicht an ihren Einlagen interessiert. Sebastian war völlig menschlich, zum größten Teil jedenfalls. Also musste Mátyás es auch sein.
Wie gesagt, ich wusste nicht, ob er übermenschliche Kräfte hatte - abgesehen von seiner Langlebigkeit und seinem unglaublichen Talent, einen bis aufs Blut zu reizen.
In der Küche roch es nach gebratenen Peperoni und gedünsteten Tomaten. Überall standen Flaschen und Gläser in allen möglichen Größen herum. Sebastian hatte offenbar Tomaten eingekocht und mehrere Gläser Salsasoße zubereitet, die mit dem Deckel nach unten auf Trockentüchern auf der Arbeitsfläche neben dem Herd standen. Auf der Fensterbank lagen noch ein paar Tomaten zum Nachreifen.
Mátyás nahm sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. Ich sah ihm dabei zu, wie er in den Schubladen nach einem Flaschenöffner suchte.
Unsere Blicke kreuzten sich, als er die Schublade neben mir schloss. Ich lehnte an der Arbeitsfläche und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
„Ich bin nicht hier, um ihn umzubringen“, sagte er. „Oder dich.“
„Ach was?“, entgegnete ich skeptisch. „Wie günstig, dass Sebastian genau dann verschwindet, wenn du auftauchst.“
„Eigentlich ist das äußerst ungünstig“, knurrte Mátyás mich an und hebelte seine Flasche kraftvoll mit dem Öffner auf, sodass der Kronenkorken im hohen Bogen über die Arbeitsfläche flog. „Ich denke, er macht einen großen Fehler, und ich wollte ihm die Sache ausreden. Aber wie ich sehe, ist es schon zu spät.“ Er wies mit der Flasche auf meinen Ring. „Reine Zeitverschwendung. Ich hätte in Rom bleiben sollen.“
„In Italien? Du hast also immer noch mit der Eustachius-Kongregation zu tun?“, fragte ich möglichst gelassen, doch meine Stimme klang selbst für meine Ohren angespannt.
Mátyás sah mich finster mit der Flasche am Mund an. Er nahm einen großen Schluck, ohne mich aus den Augen zu lassen. Dann sagte er: „Willst du wirklich mit mir über dieses Thema sprechen?“
Oh ja, wenn Sebastian in Gefahr war, wollte ich das allerdings.
„Kommt darauf an“, entgegnete ich langsam. „Hast du vielleicht ein neues Tattoo, von dem du mir erzählen willst?“
Die Kongregation war zwar eine geheime Vereinigung, doch ihre Mitglieder schmückten sich mit einem Tattoo, den Zahlen 22:18 in Rot, die auf einen Vers im zweiten Buch Mose verwiesen: „Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen.“ Wenn Mátyás der Vereinigung beigetreten war, hatte er nun auch dieses Tattoo. Es war Pflicht für alle Mitglieder, auch für die Sensitiven - jene Überläufer mit magischen Kräften, die den Jägern halfen, Hexen und ihre Zirkel aufzuspüren und
zu vernichten.
Es war so still in der Küche, dass man den Sekundenzeiger der Wanduhr ticken hörte. „Nein, keine frische Tinte“, sagte Mátyás schließlich.
Angesichts seiner zögerlichen Antwort fragte ich mich, was er vor mir zu verbergen versuchte. „Was verheimlichst du mir, Mátyás? Arbeitest du jetzt auf eine andere Art für sie? Oder ... Oh!“ Plötzlich fiel mir wieder ein, dass der Vatikan ihm versprochen hatte, seine Mutter Tereza wieder zum Leben zu erwecken. Sebastian hatte sie bei dem Versuch, sie auf klassische Weise zum Vampir zu machen, unbeabsichtigt in so etwas wie einen scheintoten Zustand versetzt. „Halten sie
deine Mutter als Geisel fest? Haben sie dir einen Austausch vorgeschlagen?“
„Einen Austausch?“, wiederholte er fassungslos. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nicht für sie arbeite!“
„Kannst du mir mein Misstrauen verdenken? Es wäre ja nicht das erste Mal, dass du deinen Vater um deiner Mutter willen verrätst.“
„Das ist unfair!“, fuhr er mich an.
„Ist es das? Du hast uns zum Sterben liegen gelassen.“
„Habe ich das?“ Mátyás nahm noch einen großen Schluck Bier. Obwohl ich ein paar Meter von ihm entfernt war, konnte ich die Hefe riechen. „Hast du es so in Erinnerung?“
Ich wich seinem Blick aus, denn mir wurde auf einmal bewusst, dass Mátyás uns eigentlich gar nicht verraten hatte. Mein Zauber hatte zwar die Vatikanagenten getäuscht, die vor unserem magischen Kreis gestanden hatten, doch Mátyás hatte ihn betreten und gesehen, dass Sebastian
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