Vampir sein ist alles
für meine strapazierten Nerven. Im Badezimmer löste ich vorsichtig den Verband von meinem Hals. Marlena hatte recht gehabt: Ich sah wirklich furchtbar aus. Rings um meinen Hals verlief ein roter, geschwollener Striemen, der mit einer fettigen Salbe bestrichen war und noch schmerzhafter aussah, als er war. Ich tippte zaghaft mit dem Finger darauf, und meine
Dummheit wurde sofort mit einem stechenden Schmerz bestraft, von dem mir die Tränen in die Augen schossen. Ich ging rasch ins Wohnzimmer, kramte das Schmerzmittel aus der Tasche, das ich im Krankenhaus bekommen hatte, und warf eine Pille ein.
Zurück im Bad ließ ich mich seufzend in das warme Wasser sinken. Weil der Arzt mich angewiesen hatte, die Wunde ein paar Tage lang trocken zu halten, verzichtete ich darauf, mir die Haare zu waschen. Barney stieß die Tür auf und sprang auf den Toilettendeckel, um mir bei der Körperpflege Gesellschaft zu leisten. Sie putzte sich gründlich von Kopf bis Fuß, während ich mir die Strapazen des Tages mit handgemachter Lavendel-Minze-Seife vom Körper schrubbte.
Als das Wasser abkühlte, stieg ich aus der Wanne und trug vorsichtig noch mehr Salbe auf meinen Hals auf. Zum Glück war sie so klebrig, dass der frische Verband gleich daran haften
blieb, denn was die Versorgung von Wunden anging, war ich eine ziemliche Niete. Der neue Verband sah nicht annähernd so ordentlich aus wie der, den der Arzt angelegt hatte, vor allem, weil ich wieder einmal unterschätzt hatte, wie viel Material ich dafür benötigte. Mit dem zusammengestückelten Wickel um den Hals sah ich ein bisschen aus wie Frankensteins Braut.
Ich machte mich zurecht und legte den dunkelsten Lippenstift auf, den ich hatte, um von dem Verband abzulenken. Dann zog ich mir eine kurzärmelige, dunkelviolette Bluse mit einem hohen Kragen an, der meinen Hals weitgehend verdeckte, und einen dazu passenden weiten Rock mit indischem Muster, der mir fast bis zu den Fußknöcheln reichte. Nachdem ich meine Riemchensandalen angezogen hatte, stellte ich fest, dass ich noch eine Stunde Zeit hatte, bevor
ich losmusste, obwohl ich zu Fuß gehen wollte. Ich setzte mich auf die Couch und versuchte, mich in eine Zeitschrift zu vertiefen, aber trotz der Stimmen aus dem Radio und einer schnurrenden Katze auf meinem Schoß war mir meine Wohnung immer noch zu leer. Ich schnappte mir meine Tasche und verließ das Haus.
Die untergehende Sonne färbte den Himmel in kräftiges Rot und Lila. Schwärme von Mücken tanzten um die Straßenlaternen. Mit der einbrechenden Dunkelheit verging zwar die drückende Hitze, aber die Luft war so feucht, dass ich schon wieder das Gefühl hatte, am ganzen Körper zu kleben. Als mir eine Stechmücke um die Ohren surrte, schlug ich nach ihr und ging einen Schritt schneller. Es roch nach Taglilien und frisch gemähtem Gras.
Ich war ungefähr einen halben Block in Williams Richtung gegangen, als mir ein Straßenname ins Auge fiel, den ich aus Sebastians Adressbuch kannte. Als ich es aus meiner Tasche kramte, fielen mir eine Lippenstiftkappe und meine Schlüssel herunter. Nachdem ich alles wieder eingesammelt hatte, setzte ich mich auf die Rasenfläche neben dem Gehsteig und blätterte in dem Buch, bis ich fand, wonach ich suchte:
Walter.
Es verging keine Minute, und ich stand vor einem zweistöckigen Tudorhaus, das von einem kleinen Mäuerchen umgeben war. Der Vorgarten sah traumhaft aus. Weiße, lilafarbene und gelbe Fingerhüte lugten über die Mauer. Mondwinden kletterten an einem Bogenspalier hoch, unter dem ich auf dem Weg zur Haustür hindurchging. Zu beiden Seiten der Tür stand jeweils ein riesiger Hibiskus. Schon als ich auf die Klingel drückte, hasste ich Walter. Der Typ war ein viel besserer Gärtner als ich, und genau deshalb interessierte sich Sebastian natürlich für ihn. Ich hatte mir bereits ausgemalt, wie sich die beiden immer wieder in den diversen Gartencentern der Stadt trafen, als die Tür geöffnet wurde.
„Ja, bitte?“ Der Mann mit schütterem Haar und gelbem Frotteebademantel, der mir entgegentrat, taxierte mich misstrauisch.
„Sind Sie Walter?“, fragte ich.
Der Mann schüttelte den Kopf und rief über die Schulter: „Schatz, hier ist eine Frau, die dich sprechen will!“
„Wer ist sie?“, ertönte es von drinnen. „Und was will sie von mir?“
Der Mann im Bademantel sah mich fragend an. „Ich bin eine Freundin von Sebastian!“, rief ich in den Flur. Ich wusste natürlich nicht, ob Sebastian diesem Typen seinen
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