Vampir sein ist alles
wurde, dann implodierte ihr Gesicht am Ende noch. „Oh“, sagte sie mit eisiger Stimme. „Verstehe.“
„Wenn wir wissen wollen, ob Sebastian hier ist, dann sollten wir jetzt mal klingeln“, schlug ich vor. Abgesehen davon war es unerträglich heiß. Die Sonne versengte mir die nackten Arme und brannte sich regelrecht in mein Shirt.
Alison sagte keinen Ton, doch ihr Blick wanderte zum Haus. Offensichtlich wog sie die Bürde, mich mitnehmen zu müssen, gegen die Notwendigkeit ab, Sebastian zu retten.
Als ich mir die Hände an meiner schwarzen pailletten-besetzten Jeans abwischte, erinnerte ich mich wieder an Alisons Bemerkung über Traci. „Was ist eigentlich eine 'weiße Rose'?“, fragte ich. Ihr Blick fiel auf die Vampirfledermaus auf meinem T-Shirt, und ich sah an mir herunter. „Ein Goth!“, kam ich ihrer Antwort zuvor.
„Ein Möchtegernvampir“, sagte sie und nickte. „Jemand, der sich insgeheim wünscht, verwandelt zu werden.“
„Davon habt ihr doch bestimmt einige in der Gruppe“, entgegnete ich. Wir waren im Schatten einer Pappel stehen geblieben, dem einzigen größeren Baum in der ganzen Straße. Alle anderen waren noch nicht höher als zwei Meter und dick mit Mulch umhäufelt.
„Hätten wir, wenn wir nicht alle sorgfältig überprüft würden.“ Als ich sie fragend ansah, seufzte sie. „Wir sind eine verschworene Gemeinschaft“, erklärte sie. „Jeder wurde von jemandem empfohlen, der die Verantwortung für unsere Indoktrinierung übernimmt. Wir müssen schließlich äußerst diskret sein und ein ziemlich großes Geheimnis wahren. Es gibt natürlich immer Ausnahmen. Aber die Gruppe im Mittelwesten ist einfach sehr gut organisiert.“
„Außerdem kann Sebastian sowieso niemanden 'verwandeln'.“
Alisons Miene wurde noch finsterer. „Wie? Er kann niemanden verwandeln?“
Ach, wusste sie das etwa nicht? „Äh, ja, das hat damit zu tun, wie er zum Vampir wurde, verstehst du?“
Alison ballte die Hände zu Fäusten. Ich dachte, sie wollte mir eine reinhauen, und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück.
„Du kennst wahrscheinlich seine ganze Lebensgeschichte.“ Ihr Ton und ihre Haltung hatten etwas Feindseliges. Eines war sicher: Ich konnte mit dem Bus nach Hause fahren.
Ich schüttelte langsam den Kopf und bemühte mich, ruhig zu bleiben, um die Lage zu entschärfen. „Nein, kenne ich nicht", entgegnete ich. Sie lief knallrot an, und ich ahnte, dass sie mich gleich als Lügnerin beschimpfen würde. „Ich wusste zum Beispiel nichts von dir“, rief ich ihr in Erinnerung.
Alison straffte die Schultern und warf ihre roten Locken nach hinten. „Wie dem auch sei, wir sollten uns auf Sebastians Rettung konzentrieren.“
Als sie entschlossen auf die Haustür zuging, flatterte der Rock ihres hübschen Sommerkleids um ihre Beine. Eine große Libelle mit schillernden Flügeln flog über den Rasen. Ich folgte Alison, und wir betraten zusammen das schmale Betonpodest vor der Tür, das gerade groß genug für zwei war. Das kleine Vordach über uns spendete nur wenig Schatten. Ich drückte auf den knallorangen Klingelknopf und hörte, wie es im Haus läutete.
Kurz darauf öffnete uns eine Frau Ende fünfzig. Sie hatte kurz geschnittenes Haar und jede Menge Lachfältchen in ihrem gebräunten Gesicht. Zu ihrer Jeans trug sie ein Grateful-Dead- T-Shirt, unter dessen Ärmeln verblichene Tattoos hervorlugten. „Ja, bitte?“
„Ist Traci da?“, fragte Alison.
„Ich bin Traci“, erwiderte die Frau.
Sie entsprach nicht gerade Alisons Beschreibung von einer „weißen Rose“, aber die beiden waren sich ja auch noch nie persönlich begegnet. Nachdem ich den heißen Flitzer vor dem Haus gesehen hatte, überlegte ich, ob Alison die Sache mit dem Leder vielleicht missverstanden hatte. Möglicherweise hatte Traci über die Motorradszene gesprochen – im Dunkeln konnte man Hardcore-Biker und Lederfraktion leicht verwechseln.
„Ich bin Garnet, Sebastians Verlobte“, sagte ich. „Und das ist Alison.“
„Garnet!“ Traci gab mir lächelnd die Hand. Die Schwielen an ihren Fingerkuppen ließen mich vermuten, dass sie Gitarre oder ein anderes Saiteninstrument spielte. „Schön, dich endlich mal kennenzulernen!“
Falls diese Frau nicht eine außerordentlich gute Schauspielerin war, glaubte ich nicht, dass wir Sebastian gefesselt in ihrem Keller fanden. „Entschuldige, dass wir dich einfach so überfallen, Traci, aber Sebastian ist verschwunden.“
Ich schaute ihr prüfend ins
Weitere Kostenlose Bücher