Vampir sein ist alles
wir jeden Moment wegen unbefugten Betretens der Anlage und Grabschändung verhaftet werden konnten, als ich einen stechenden Schmerz in meinem Arm verspürte. Ich schaute nach unten: Sebastian hatte zugebissen, als hätte ich ihm eine Schweinshaxe hingehalten. Ich schrie unwillkürlich auf und wollte meinen Arm wegziehen, doch er hielt ihn mit seinen Zähnen fest wie ein großer Weißer Hai. Ich fragte mich, ob ich ihm eins auf die Nase geben sollte, wenn er losließ. Nicht dass ich zu derart komplexen Taten überhaupt fähig gewesen wäre, denn meine
Gedanken ließen sich im Prinzip mit „Aua, aua, loslassen!“ zusammenfassen.
Mátyás schaute mir über die Schulter und redete leise auf Sebastian ein, der uns mit glasigem Blick anstarrte. „Vater! Vater, wir sind’s, Mátyás und Garnet. Wach auf!“
Ich hätte ihn gern darauf aufmerksam gemacht, dass Sebastian eindeutig wach war - schließlich war er dabei, mich auszusaugen aber ich war viel zu beschäftigt mit Schreien und dem verzweifelten Bemühen, mich loszureißen.
Mit einem Mal knurrte Lilith.
Ich erstarrte. Mátyás sah mich fragend an. Sebastian ließ von meinem Arm ab und blinzelte verdutzt. Ich schaute an mir herunter, entdeckte aber nichts Besonderes. Lilith war so laut gewesen, dass ich gedacht hatte, SIE müsse irgendwie zu sehen sein.
„Ich benutze ja nur ungern solche abgedroschenen Phrasen, doch wo bin ich?“, fragte Sebastian. Dann sah er sich um. „Oh“, sagte er, als er den Sarg, die geöffnete Gruft und das tiefe Loch sah, in dem wir uns befanden. „Igitt, holt mich hier raus!“
Mátyás und ich halfen ihm nach oben, und ich hielt Ausschau nach Micah. Weder er noch der Kojote waren irgendwo zu sehen, aber mir sträubten sich die Nackenhaare. Ich hatte das Gefühl, dass er ganz in der Nähe war. „Wir sollten von hier verschwinden“, mahnte ich.
„Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen kann“, sagte Sebastian. Wir hatten ihn neben Sterlings Grabstein gesetzt, damit er sich anlehnen konnte. Seine Haare, die sonst immer viel besser aussahen als meine (worüber ich mich schon oft im Spaß beklagt hatte), hingen ihm schlaff und zottelig ins Gesicht. „Ich fühle mich so schwer, und mir ist so kalt.“
„Du brauchst mehr Blut“, stellte Mátyás fest.
Obwohl ich jeden einzelnen Pulsschlag in meinem Arm spürte, war ich bereit, Sebastian noch einmal trinken zu lassen, doch als ich mich gerade anbieten wollte, zog Mátyás sein Hemd aus. Er ging in die Knie und setzte sich auf den Schoß seines Vaters. Als er das Kinn auf seine Schulter legte, ließ Sebastian den Kopf sinken. Es sah aus wie eine innigliche Umarmung.
Ich schaute zur Seite, damit sie einen kleinen Moment für sich hatten. Ein Mann auf einem Aufsitzrasenmäher fuhr ein paar Reihen weiter unten vorbei und sah in meine Richtung. Unsere Blicke kreuzten sich, dann hörte ich, wie der Motor ausging. Der Mann wunderte sich mit Sicherheit über die Erdhaufen rings um das Grab und die Schaufel, die in einem davon steckte. Mein schmutziges Gesicht und meine schlammbeschmierten Klamotten sprachen wohl auch nicht für uns.
„Äh, Jungs, wir müssen abhauen“, sagte ich. „Der Friedhofsgärtner hat uns entdeckt.“
Sebastian stöhnte enttäuscht, aber es war ohnehin davon auszugehen, dass er in den nächsten Tagen noch viel mehr Blut brauchen würde - mehr, als Mátyás und ich ihm geben konnten -, um sich vollständig zu erholen. Die beiden lösten sich voneinander. Mátyás wirkte etwas benommen, als er sich aufrappelte, doch wir setzten uns augenblicklich in Bewegung, als der Gärtner rief: „He, was macht ihr da?“
Wir liefen, so schnell wir konnten. Im Hellen war es natürlich einfacher, nicht über jeden eingesunkenen Grabstein zu stolpern. Aber nach dem Blutverlust und der stundenlangen Graberei bekam ich ziemlich schnell Seitenstechen. Keuchend schleppte ich mich weiter. Zum Glück feuerte mich der Gärtner ordentlich an, der in diesem Moment rief: „Oh Gott! Was habt ihr getan? Ich rufe die Polizei!“
Seine Worte verliehen uns regelrecht Flügel. Wir schafften es, den Friedhof zu verlassen und in Mátyás’ Jaguar zu springen, bevor der Gärtner auf die Idee kam, per Funk Verstärkung anzufordern. Erst als wir mit quietschenden Reifen losfuhren, bog ein klappriger Pick-up um die Kurve. Der Geruch von verbranntem Gummi stieg mir in die Nase.
„Hoffentlich haben sie das Nummernschild nicht erkannt!“, sagte ich. Sebastian hatte sich nach vorn gesetzt,
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