Vampirblut (German Edition)
Ich berührte das Kreuz vorsichtig mit der Spitze meiner Finger, als nichts passierte, nahm ich es ganz in die Hand – Nichts.
Mit dem Silberkreuz in der Hand flitzte ich zurück zu William in die Bibliothek. Ich sah noch genau vor mir, was es bei William für Verletzungen verursacht hatte, als er durch das Fenster meines Zimmers geklettert war. „Hier“, hielt ich ihm die Hand hin. „Nichts passiert.“
William schreckte vor meiner Hand zurück und ein Knurren entrann seiner Brust. „Tut mir leid“, entschuldigte er sich. „Du weißt ja, Allergie gegen Silber.“
Ich zog meine Hand wieder von ihm weg und ließ das Kreuz in meiner Jeans verschwinden. „Was denkst du?“, drängte ich ungeduldig, begierig endlich zu erfahren, was mit mir passierte.
„Ich denke, eine Art von Umwandlung hat bei dir schon stattgefunden. In einem gewissen Maße hat mein Blut dich wohl doch verändert“, grübelte er, während er auf einem Kuli kaute. „Du bist zwar noch immer ein Mensch, aber jetzt mit einigen Fähigkeiten mehr. Du kannst im Dunkeln sehen, wahrscheinlich siehst du allgemein besser als vorher.“
„Das hat zumindest den Vorteil, das ich im Alter wohl keine Brille brauche. Altere ich überhaupt?“
„Ich weiß nicht. Da dein Körper eindeutig noch lebt, denke ich schon.“
„Hmm, wie ärgerlich. Also doch Falten“, witzelte ich.
„Du bist schneller, mindestens so schnell, wie ein Vampir, und auch deine Hörfähigkeit ist wie bei mir. Fragt sich, ob das dauerhaft bleibt, oder ob es nur eine vorübergehende Veränderung ist und verschwindet, sobald dein Körper das Vampirblut vollständig abgebaut hat. Es wird interessant werden, das herauszufinden.“
Oh, ich war sein wissenschaftliches Experiment, mehr nicht? Der Gedanke gefiel mir gar nicht. Noch immer hoffte ich, ich würde mehr für ihn sein, als nur der nervige, hilflose Mensch – zugegebener Maßen nicht mehr ganz so hilflos –, den er ständig vor irgendwelchen Gefahren retten musste.
„Was kannst du noch so, was Menschen nicht können? Vielleicht kann ich ja noch Sachen, die ich noch nicht entdeckt habe?“, fragte ich um auf andere, weniger deprimierende Gedanken zu kommen.
„Na ja, Vampire sind stärker, viel stärker als Menschen. Ich könnte zum Beispiel ohne Probleme ein Auto anheben. Und Wunden heilen bei mir viel schneller als bei einem Menschen. Ich weiß nicht, inwieweit das bei dir möglich ist, du bist ja immer noch sterblich, denke ich.“ Er stand auf, stellte sich ganz nah vor mich – so nah das meine Knie zitterten vor Aufregung –, schob seine Hand in meine linke Potasche – ich verlor fast den Verstand und keuchte nach Luft ringend - und zog das Kreuz an seiner Kette heraus. Dann legte er es in seine Handfläche, schloss die Hand zur Faust – sein Gesicht war schmerzverzerrt –, öffnete die Hand wieder und ließ das Kreuz zu Boden fallen. Ein tiefer, hässlicher Abdruck des Kreuzes hatte sich in seine Handinnenfläche gebrannt. Ich strich mit dem Finger darüber, doch es verheilte vor meinen Augen, bis nichts mehr zurückblieb.
Eine Weile blieben wir so stehen, er ganz nahe vor mir, sein Gesicht nur Zentimeter von meinem entfernt. Ich wagte kaum, zu atmen. Ich blickte in seine Augen und konnte sehen, wie sie die Farbe wechselten und schwarz wurden, worauf er sich blitzartig zurückzog und vor seinem Sessel stehen blieb. „Tut mir leid. Es ist besser, wenn wir uns nicht so nahe sind. Es ist nicht, das ich nicht genauso empfinde wie du, aber es wäre nicht gut für dich. Eine Beziehung zu einem normalen Jungen, einem Menschen, wäre besser für dich – gesünder. Ich möchte nicht, dass du dich in einem Albtraum verrennst.“ Er flüsterte nur, gerade laut genug, damit ich hören konnte, was er mir zu sagen hatte. Wäre meine Hörfähigkeit jetzt nicht gesteigert gewesen, hätte ich ihn wohl nicht verstanden.
Ich schluchzte und kämpfte mit den aufsteigenden Tränen. Er empfand wie ich, und wenn er sagte, „wie du“, dann wusste ich, was er empfand, denn schließlich konnte er spüren, was für ein Chaos in mir herrschte. „Warum?“, stieß ich tonlos hervor und strengte mich an, meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, damit er nicht spürte, wie sehr mich seine Worte verletzten. Diese Gabe von ihm war gerade in Situationen, wo er mir so nahe war, mehr als lästig.
„Ich möchte ein normales Leben für dich. Keins in dieser Schattenwelt. Du gehörst hier einfach nicht her. Wenn du bei mir bist,
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