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Vampirdämmerung / Roman

Vampirdämmerung / Roman

Titel: Vampirdämmerung / Roman
Autoren: Sharon Ashwood
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Mundwinkel nach unten gebogen.
    Sie hat Angst.
Mac stieg über Bran hinweg und schritt auf die Frau zu. Mit einem vogelähnlichen Sprung huschte sie hinter eine Ecke. Mac zögerte eine Sekunde, dann lief er ihr nach. Ehe er nicht wusste, ob sie aus schlichter Furcht wegrannte oder um Brans Freunde zu holen, konnte er sie nicht entkommen lassen.
    Als er die Ecke erreichte, war sie schon nicht mehr zu sehen, doch er konnte einen Hauch ihres süßen Parfüms ausmachen. Dem folgte er, wobei er sich genau einprägte, wie er ging, damit er später wieder zurückfand.
    Sie war noch nicht weit, erst im nächsten Gang. Dort verharrte sie, Mac den Rücken zugewandt, und blickte furchtsam um die Ecke. Er näherte sich ihr von hinten, ohne ein einziges Geräusch zu verursachen.
    Bis er zum Dämon wurde, war ihm nie bewusst gewesen, wie viel Krach ein Mensch machte – atmen, rascheln, schlucken. Mac machte seither überhaupt keine Geräusche mehr, strahlte keinen Geruch aus und verursachte keinerlei Luftbewegungen. Da er inzwischen wieder teils menschlich war, konnte er das selbst steuern, es an- und ausstellen wie einen Lichtschalter. Allerdings behagte ihm das komplett stille Anschleichen nicht sonderlich, so praktisch es bisweilen auch sein mochte.
    Er war nahe genug, um die Frau deutlich zu sehen. Ihr Kleid reichte bis zum Boden und war aus einem schweren indigofarbenen Stoff, am Saum unten abgewetzt. Sie war klein, nur knapp über einsfünfzig, zartgliedrig und beinahe zerbrechlich. Das meiste ihres Gewichts dürfte das dicke glatte Haar beisteuern.
    Als er gerade dicht genug war, dass er einen Streifen staubige Spitze unter ihrem Rock bemerkte, versteiften sich ihre Schultern. Sie hatte ihn gespürt. Nicht einmal lautlose Dämonen konnten sich vor jenem sechsten Überlebenssinn verbergen, der das Reh zur Flucht bewegt, noch ehe der Puma aus seinem Versteck kommt.
    Sie wirbelte herum und sah ihn an, die Augen weit aufgerissen vor Furcht. Tiefblaue Pupillen, umrahmt von klarem Weiß. Zuckend wie eine Comic-Figur, blickte sie wieder um die Ecke, dann abermals zu Mac.
Gefangen zwischen Baum und Borke.
    »Was ist da?«, fragte Mac sehr leise. Er konnte nicht sicher sein, dass sie Englisch sprach. In der Burg gab es keine Einheitssprache, außer man zählte Verzweiflung zu den Sprachen.
    »Mehr Wachen«, antwortete sie flüsternd.
    Sie will also nicht Brans Freunde warnen.
    »Drei Wächter. Sie gehen in Richtung ihrer Quartiere.« Ihre Worte klangen melodisch. Irisch vielleicht? Sie musterte sein Gesicht. Eindeutig wollte sie einschätzen, wie gefährlich er ihr werden könnte. »Wer sind Sie?«
    »Conall Macmillan, Ma’am.« Irgendwie kam es ihm richtig vor, gute Manieren zu beweisen, als hätte der Geist seiner Großmutter ihm ins Ohrläppchen gekniffen. »Zu Ihren Diensten.«
    »Zu meinen Diensten, ach ja?« Da war ein Anflug von Ironie in ihrem Blick. »Und wie kann es sein, dass jemand, der einen Wächter niederschlägt, meinesgleichen dienen will? Wächter sind stärker als wir. Wir können sie nicht schlagen, und dennoch schwebten Sie soeben bedrohlich über dem reglosen Bran.«
    Unsicherheit machte Macs Brust eng. Ihm gefiel es nicht, dass eine hübsche Frau ihm sagte, er wäre nicht ganz normal, noch viel weniger, er würde bedrohlich schweben. »Ich bin nur auf der Durchreise. Vielleicht gelten die Regeln nicht für mich.«
    Sie blickte ihm sehr ernst in die Augen. »Niemand ist hier nur auf der Durchreise.«
    »Ich war es schon einmal.«
    »Dann haben Sie einen Schlüssel?« Sie sagte es so gelassen, als wäre es gar kein großes Wunder.
    Es gibt einen Schlüssel? Womöglich mehr als einen?
Mac antwortete nicht, denn er fragte sich, was sie noch enthüllen konnte.
    »Nun denn.« Sie hatte sich beruhigt, schien jedoch nach wie vor mit irgendwelchen fiesen Tricks von ihm zu rechnen. »Das würde erklären, warum ich Sie noch nie zuvor gesehen habe.«
    »Ich hoffe, Sie meinen damit, Sie hätten mich nicht vergessen.« Er blickte verstohlen zum Ausschnitt ihres Kleids. Es war relativ weit ausgeschnitten und im Miederteil geschnürt. Die überkreuzten Bänder betonten ihre schmale Figur. Außer einem Lederband mit einem Anhänger trug sie noch einen dünnen weißen Schal, dessen Enden vorn in das Kleid gesteckt waren, so dass sie das Dekolleté züchtig bedeckten.
Schade.
    Ihr entging nicht, wo er hinsah. »Und falls ich mich Ihrer erinnerte, wäre es wegen Ihrer Schmeicheleien und Ihres geübten Lächelns?«
    »Ich kann
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