Vampire Academy 04
– Begegnungen, die allesamt zu nichts geführt hatten –, war es meinem Körper nahezu gleichgültig, wer ihn berührte. Ich konnte einfach die Augen schließen, und es würde keine Rolle mehr spielen, wessen Zähne sich in mein Fleisch bohrten oder wessen Hände meine Kleider abstreiften. Nur der nächste Endorphinstoß war von Bedeutung. Verloren in meinem Rausch, konnte ich mir mit geschlossenen Augen einfach einreden, es sei Dimitri, während Nathans Lippen über meine Haut strichen …
Nur dass sich ein kleiner, verantwortungsbewusster Teil meines Selbst daran erinnerte, dass Nathan nicht nur Sex und Blut wollte. Im Grunde wollte er mich töten.
Was irgendwie ironisch war. Denn als ich hierherkam, war ich wild entschlossen gewesen, mich umzubringen, damit ich nicht zum Strigoi wurde. Und genau das bot Nathan mir jetzt an. Selbst wenn er mich zuerst verwandelte, hatte er letztendlich die Absicht, mich gleich danach zu töten. So oder so, ich würde die Ewigkeit nicht als Strigoi verbringen müssen. Ich hätte für diese Chance dankbar sein sollen.
Doch genau in diesem Moment, während die Sucht meines Körpers nach seinem Biss und dieser Wonne schrie, wurde mir mit verblüffender Klarheit bewusst: Ich wollte nicht sterben ! Vielleicht lag es daran, dass ich fast einen ganzen Tag auf einen Biss hatte verzichten müssen, aber in mir erwachte langsam etwas Rebellisches. Ich würde nicht zulassen, dass er mir das antat. Ich würde nicht zulassen, dass er Dimitri Schaden zufügte. Und ich würde verdammt noch mal nicht zulassen, dass er Lissa zur Strecke brachte.
Ich kämpfte mich durch diese Endorphinwolke, die mich noch immer einhüllte, und beschwor so viel Willenskraft wie nur möglich herauf. Dann rief ich mir meine Ausbildung ins Gedächtnis und all die Lektionen, die Dimitri mir erteilt hatte. Es war schwer, einen Zugang zu diesen Erinnerungen zu finden, und ich kam nur an einige wenige davon heran. Aber sie reichten aus, um mich aktiv werden zu lassen. Ich holte aus und versetzte Nathan einen Fausthieb.
Und erreichte nichts.
Er wich kein Stück zurück. Teufel noch eins, ich weiß nicht einmal, ob er den Schlag überhaupt gespürt hatte. Die Überraschung auf seinem Gesicht verwandelte sich prompt in Heiterkeit, und er lachte auf die schreckliche Weise, wie Strigoi lachten – grausam und ohne echte Freude. Dann schlug er mir lässig ins Gesicht und schleuderte mich quer durch den Raum. Dimitri hatte es so ähnlich gemacht, als ich angekommen war und ihn angegriffen hatte. Nur dass ich nicht ganz so weit geflogen war, und meine Attacke zumindest ein klein wenig mehr bewirkt hatte.
Ich krachte gegen die Rückenlehne des Sofas, und, Grundgütiger, das tat weh. Eine Welle des Schwindels schwappte über mich hinweg, und ich begriff die Idiotie, gegen jemanden kämpfen zu wollen, der unendlich viel stärker war als ich, während ich auch noch die ganze Woche über Blut verloren hatte. Es gelang mir, mich aufzurichten, und ich dachte verzweifelt über meinen nächsten Schritt nach. Nathan seinerseits schien es nicht eilig zu haben, auf meinen Angriff zu reagieren. Genau genommen, lachte er noch immer.
Als ich mich umschaute, kam ich auf eine wahrhaft erbärmliche Idee. Inna stand in meiner Nähe. Mit quälend langsamer Geschwindigkeit – aber schneller, als ich mir zugetraut hatte –, packte ich sie und legte ihr einen Arm um den Hals. Sie kreischte vor Überraschung auf, und ich riss sie noch fester an mich.
„Verschwinde“, sagte ich zu Nathan. „Verschwinde, oder ich werde sie töten.“
Er hörte auf zu lachen, starrte mich einen Moment lang an und lachte dann umso heftiger. „Ist das dein Ernst? Glaubst du etwa, ich könnte dich nicht daran hindern, wenn ich wollte? Und glaubst du tatsächlich, dass es mich auch nur im Mindesten interessiert? Nur zu, töte sie. Es gibt Dutzende, die genauso sind wie sie.“
Ja, auch das hätte keine Überraschung sein sollen, aber sogar ich war ein wenig bestürzt darüber, wie leichtfertig er das Leben einer treuen Dienerin wegwerfen würde. Okay. Zeit für Plan B. Oder war es vielleicht schon Plan J? Offen gesagt, ich verlor den Überblick, und ohnehin schien mir keiner dieser Pläne besonders viel zu taugen …
„Au!“
Inna hatte mir unvermittelt einen Ellbogen in den Magen gerammt. In meiner Überraschung ließ ich sie los. Sie fuhr mit einem erstickten Aufschrei herum und schlug mir ins Gesicht. Der Treffer war nicht so hart wie der von Nathan,
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