Vampire Academy 04
Blick, mit dem er mich bedachte … nun, er flößte mir beinahe mehr Angst ein als Nathan. Dann beugte er sich vor, packte mich und riss mich hoch.
„Wenn du gerade getötet worden wärst, wäre es deine eigene Schuld gewesen“, erklärte er. Seine Finger gruben sich in mein Handgelenk, während er mich schüttelte. „Du hast die Chance auf Unsterblichkeit, auf unglaubliche Stärke! Und du bist zu blind und zu stur, um es zu erkennen.“
Ich schluckte meine Tränen hinunter und wischte mir mit dem Rücken der freien Hand über die Augen. Zweifellos ruinierte ich das Make-up, das ich so sorgfältig aufgetragen hatte. Mein Herz stand kurz davor, mir in der Brust zu explodieren, so groß war meine Angst. Von Nathan hatte ich Zorn und Drohungen erwartet – aber nicht von Dimitri.
Du hast wohl vergessen, dass er ein Strigoi ist, flüsterte eine Stimme in mir.
Ich hatte lange genug auf einen Biss verzichtet, und in meinen Adern floss genug Adrenalin, um mich wachsam zu machen, sodass meine nörgelnde Stimme lauter sprach, als sie es seit sehr langer Zeit getan hatte. Dimitri sagte, ich sei schwach, weil ich kein Strigoi war, aber es steckte noch mehr dahinter. Ich war schwach und von Nathan und Inna überwältigt worden, weil ich eine Süchtige war, weil ich ein Leben glückseliger Ignoranz lebte, das seinen Tribut sowohl von meinem Körper als auch von meinem Geist forderte. Der Gedanke war erschreckend, und ich konnte ihn kaum ertragen. Dann loderte mein Verlangen nach Vampirendorphinen auf, und in meinem Kopf führten beide Lager einen Kleinkrieg.
Ich war jedoch klug genug, keinen dieser Gedanken laut auszusprechen. Stattdessen suchte ich nach etwas, das Dimitri beschwichtigen würde. „Ich glaube nicht, dass ich stärker als Nathan wäre, selbst wenn ich verwandelt … erweckt werden würde.“
Er strich mir mit einer Hand übers Haar, und seine kalte Stimme klang nachdenklich. Er schien sich zu beruhigen, aber seine Augen waren immer noch wütend und ungeduldig. „Vielleicht nicht von Anfang an, aber deine körperliche Stärke und deine Willenskraft werden die Verwandlung überdauern. Er ist nicht viel älter als wir beide – jedenfalls nicht so viel älter, dass es darauf ankäme, was auch der Grund ist, warum er immer wieder einen Rückzieher macht, wenn wir aneinandergeraten.“
„Warum machst du immer wieder einen Rückzieher?“
Ich spürte, wie er sich anspannte, und mir wurde klar, dass meine Frage als Seitenhieb gegen seine kämpferischen Fähigkeiten aufgefasst werden konnte. Ich schluckte, und meine Furcht kehrte zurück. Er hatte mein Handgelenk noch nicht losgelassen, und so langsam tat es richtig weh.
„Weil er in einem Punkt recht hat“, erklärte Dimitri steif. „Wenn ich ihn umbringe, dann ziehe ich Galinas Zorn auf uns. Und das ist etwas, das ich mir nicht leisten kann. Noch nicht.“
„Du hattest doch gesagt, dass du … dass wir … sie töten müssten.“
„Ja, und wenn wir das erst mal getan haben, wird es leicht sein, die Kontrolle über ihr Vermögen und ihre Organisation zu übernehmen.“
„Was verbirgt sich hinter ihrer Organisation denn eigentlich?“ Wenn ich ihn weiter ablenkte, würde die Wut sich vielleicht zerstreuen. Das Ungeheuer würde vielleicht verschwinden.
Er zuckte die Achseln. „Alle möglichen Dinge. Solchen Wohlstand erwirbt man nicht ohne gewisse Anstrengungen.“
„Anstrengungen, die illegal sind und bei denen Menschen zu Schaden kommen?“
„Spielt das eine Rolle?“
Ich verzichtete auf eine Antwort. „Aber Galina war einmal deine Lehrerin. Kannst du sie wirklich töten? Ich meine nicht physisch … ich meine, macht es dir denn gar nichts aus?“
Er dachte nach. „Ich habe es dir schon einmal gesagt. Es geht ausschließlich um Stärke und Schwäche. Jäger und Gejagte. Wenn wir sie zur Strecke bringen können – und daran habe ich keinen Zweifel –, dann ist sie die Beute. Das ist alles.“
Ich schauderte. Diese nüchterne und erschreckende Betrachtung der Welt war so grausam. Dann ließ Dimitri mein Handgelenk los, und eine Welle der Erleichterung durchlief mich. Mit zittrigen Beinen wich ich zurück und setzte mich auf das Sofa. Einen Moment lang befürchtete ich, dass er mich abermals packen würde, stattdessen setzte er sich neben mich.
„Warum hat Inna mich angegriffen? Wieso hat sie Nathan verteidigt?“
„Weil sie ihn liebt.“ Dimitri machte sich nicht die Mühe, seinen Abscheu zu verbergen.
„Aber wie …?“
„Wer
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