Vampire Academy 04
den Spiegel und schob mein Haar beiseite. Was ich sah, ließ mich aufstöhnen. Mein Hals war mit blauen Flecken übersät, ebenso mit den Spuren frischerer Wunden. An der Stelle, an der Dimitri mich gerade erst gebissen hatte, klebte noch getrocknetes Blut.
Ich sah aus … wie eine Bluthure.
Wie konnte es möglich sein, dass mir das bisher noch nicht aufgefallen war? Ich befeuchtete einen Waschlappen und schrubbte mir den Hals, um das Blut abzubekommen. Ich rieb und rubbelte, bis die Haut rosa wurde. War das alles? Oder gab es womöglich noch mehr solcher Bisswunden? Es sah aus, als sei diese Stelle die schlimmste. Ich fragte mich, wie viel Adrian gesehen haben mochte. Ich hatte das Haar offen getragen und war mir ziemlich sicher, dass es meinen Hals größtenteils bedeckt hatte.
Mir kam ein rebellischer Gedanke. Was spielte es eigentlich für eine Rolle, ob Adrian etwas gesehen hatte oder nicht? Er würde es sowieso nicht verstehen. Nicht einmal ansatzweise. Ich war jetzt mit Dimitri zusammen. Ja, er war anders … aber so anders nun auch wieder nicht. Und ich war davon überzeugt, dass ich eine Möglichkeit finden würde, wie unsere Beziehung funktionieren konnte, auch ohne dass ich selbst zum Strigoi wurde. Ich wusste nur noch nicht genau, wie.
Immer wieder versuchte ich, mich selbst davon zu überzeugen, doch diese blauen Flecken hörten einfach nicht auf, mich aus dem Spiegel anzustarren.
Ich verließ das Badezimmer und kehrte zum Sofa zurück. Dann stellte ich den Fernseher ein, sah aber gar nicht richtig hin, und nach einer Weile umhüllte mich wieder dieser beglückende Nebel. Schon bald schaltete ich den Fernseher aus und schlief erneut ein. Diesmal träumte ich meine eigenen Träume.
Es dauerte eine Weile, bis Dimitri wiederkam. Und mit „einer Weile“ meine ich fast einen ganzen Tag. An diesem Punkt wurde ich langsam fahrig, denn ich vermisste sowohl ihn als auch den Biss. Normalerweise kam er mich zweimal am Tag besuchen, also hatte ich es noch nie so lange ohne die Endorphine aushalten müssen. Da ich etwas brauchte, womit ich mich beschäftigen konnte, machte ich mich so schön wie möglich zurecht.
Ich durchstöberte die Kleider in meinem Kleiderschrank und entschied mich für ein langes Gewand aus elfenbeinfarbener Seide, dessen Stoff mit zierlichen, purpurfarbenen Blüten bemalt war. Es passte wie angegossen. Eigentlich wollte ich mein Haar hochstecken, aber nachdem ich mir noch einmal die blauen Flecken angesehen hatte, beschloss ich, es lieber offen zu tragen. Vor Kurzem hatte ich einen Lockenstab und Make-up bekommen, also frisierte ich meine Haare sehr sorgfältig und wickelte deren Spitzen zu perfekten kleinen Locken. Sobald ich mich herausgeputzt hatte, betrachtete ich begeistert mein Spiegelbild, felsenfest davon überzeugt, dass Dimitri ebenfalls begeistert sein würde. Jetzt musste ich nur noch etwas von dem exquisiten Schmuck anlegen, den er mir geschenkt hatte. Doch als ich mich zum Gehen wandte, konnte ich im Spiegel meinen Rücken kurz von der Seite sehen und bemerkte, dass ich ein Verschlusshäkchen vergessen hatte. Ich griff hinter mich, um es zuzuhaken, bekam es jedoch nicht zu fassen. Es war genau diese einzige kleine Stelle am Rücken, die ich mit den Händen einfach nicht erreichen konnte.
„Verdammt“, murmelte ich, während ich immer noch mit dem Häkchen rang. Der Makel in meiner Perfektion.
In diesem Moment hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde, gefolgt von dem Geräusch eines Tabletts, das auf den Couchtisch gestellt wurde. Ein wahrer Glücksfall.
„Inna!“, rief ich und trat aus dem Badezimmer. „Ich brauche deine …“
Eine Woge der Übelkeit rollte über mich hinweg, und als ich ins Wohnzimmer trat, sah ich, dass nicht Dimitri der Auslöser war. Sondern Nathan.
Mir klappte der Unterkiefer herunter. Inna stand in seiner Nähe und wartete geduldig neben dem Tablett, den Blick wie immer zu Boden gerichtet. Sofort wandte ich mich wieder von ihr ab und blickte zu Nathan. Vermutlich hatte er noch immer Wachdienst, aber bisher war er in diesen Stunden nie hereingekommen. Zum ersten Mal seit einer ganzen Weile erwachten meine Kampfinstinkte, und ich erwog Fluchtmöglichkeiten. Meine Furcht drängte mich, zurückzuweichen, doch wenn ich das tat, würde ich im Badezimmer in der Falle sitzen. Es war das Beste, einfach zu bleiben, wo ich war. Selbst wenn ich die Suite nicht verlassen konnte, bescherte mir diese Position immerhin die größtmögliche
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