Vampire Academy 04
gebissen zu werden. Das war gewissermaßen sogar komisch, denn wenn ich tatsächlich einen weiteren Biss zuließ, würde ich gerade dadurch mein Leben aufs Spiel setzen. Ich zweifelte nicht daran, dass weitere Stunden in diesem umnebelten Zustand zwangsläufig dazu führten, dass ich Dimitris Angebot annahm. Aber mit jeder weiteren elenden Sekunde ohne Biss, wurden meine Gedanken zunehmend schärfer. Oh, ich war allerdings noch immer weit davon entfernt, frei von diesem träumerischen Nebel der Vampirendorphine zu leben. Als wir in Spokane gefangen genommen worden waren, wurde Eddie als Blutquelle für einen Strigoi benutzt, und er hatte Tage gebraucht, um sich davon zu erholen. Jedes Quäntchen Klarheit ließ mich jetzt begreifen, wie wichtig es für mich war, bissfrei zu bleiben. Nicht dass dieses Wissen meinen Körper in irgendeiner Form erleichtert hätte.
Ich hatte hier einige ernsthafte Probleme. Anscheinend war es mir so oder so bestimmt, ein Strigoi zu werden. Dimitri wollte mich verwandeln, damit wir als das vampirische Äquivalent von Bonnie und Clyde gemeinsam herrschen konnten. Nathan wollte mich verwandeln, weil er hoffte, auf diese Weise Lissa zur Strecke bringen zu können – und mich dann töten. Offensichtlich war Dimitris Option reizvoller, aber auch nicht viel. Nicht mehr.
Gestern hätte ich noch behauptet, eine Verwandlung in einen Strigoi sei etwas, über das ich mir keine allzu großen Sorgen machen würde. Jetzt traf mich die harte Realität dessen, was das wahrhaftig bedeutete, und meine alten Gefühle kehrten zurück. Selbstmord oder eine Existenz als Geschöpf des Bösen. Natürlich würde eine solche Existenz bedeuten, dass ich mit Dimitri zusammen sein konnte …
Nur dass es nicht Dimitri war. Oder doch? Es war alles so verwirrend. Einmal mehr versuchte ich, mir ins Gedächtnis zu rufen, was er vor so langer Zeit gesagt hatte – dass ein Strigoi noch so große Ähnlichkeit mit der Person aufweisen könne, die ich einmal gekannt hatte, dass er es jedoch niemals sei. Doch dieser Dimitri sagte, in dem Punkt habe er sich geirrt.
„Es sind die Endorphine, Rose. Sie sind wie Drogen …“ Ich stöhnte und begrub das Gesicht in den Händen, während ich auf dem Sofa saß und im Hintergrund der Fernseher dudelte. Entzückend. Jetzt führte ich schon Selbstgespräche.
Angenommen, ich konnte Dimitris Bann brechen und diesem Zustand der Verwirrung entrinnen, in dem ich mir immer wieder vorgaukelte, ich hätte die Strigoi missverstanden … Was dann? Ich stünde wieder vor dem ursprünglichen Dilemma. Keine Waffen, mit denen ich gegen die Strigoi kämpfen konnte. Keine Waffen, mit denen ich mir das Leben nehmen konnte. Ich war ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, doch jetzt hatte ich zumindest eine größere Chance, ihnen einen guten Kampf zu liefern. Sicher, es würde ein Kampf sein, der zum Scheitern verurteilt war, aber ich hatte das Gefühl, dass ich – wenn ich noch ein Weilchen länger auf die Endorphine verzichtete – zumindest Inna würde überwältigen können. Das musste doch auch etwas wert sein.
Und da war es wieder. Auf die Endorphine verzichten. Wann immer ich im Geiste meine Möglichkeiten durchging und gegen eine Wand prallte, holte mich zwangsläufig die körperliche Realität wieder ein. Ich wollte dieses Hochgefühl wiederhaben. Ich wollte diesen Nebel der Glückseligkeit zurück. Ich musste ihn zurückbekommen, oder ich würde gewiss sterben. Das würde es sein, was mich tötete und mich davor bewahrte, ein Strigoi zu werden …
„Verdammt!“
Ich stand auf und lief im Zimmer auf und ab, in der Hoffnung, mich irgendwie abzulenken. Der Fernseher tat das jedenfalls nicht, so viel stand fest. Wenn ich es nur noch ein kleines bisschen länger aushalten konnte, würde ich die Droge aus meinem Körper bekommen, und dann konnte ich einen Weg finden, mich selbst und Lissa zu retten, und …
Lissa!
Ohne das geringste Zögern glitt ich in sie hinein. Wenn ich in ihrem Körper und ihrem Geist war, würde ich mich vielleicht für ein Weilchen nicht mit meinem eigenen Körper und meinem eigenen Geist beschäftigen müssen. Und die Zeit des Entzugs würde schneller vergehen.
Lissa und ihre Gruppe waren bei ihrer Abreise vom königlichen Hof ein wenig grimmiger gewesen als bei ihrer Ankunft. Im kalten Licht des Morgens kam Lissa sich wegen der Ereignisse auf der Party unglaublich idiotisch vor. Auf einem Tisch zu tanzen war nicht das Schlimmste von der Welt, aber auch wenn
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