Vampire Academy 04
hinter mir herzulaufen. Ich sah nach links und rechts und dann geradeaus. Okay. Schnell fließendes Wasser. Möglicherweise tief. Sehr breit. Es würde meinen Knöchel entlasten, aber die Aussicht, bei dem Versuch zu ertrinken, erfüllte mich nicht gerade mit Begeisterung. In den alten Legenden konnten Vampire fließendes Wasser nicht überqueren. Mann, wenn dem doch nur so wäre, doch das gab es leider nur in den Legenden.
Ich wandte mich nach links und konnte gerade eben noch einen dunklen Umriss über dem Wasser erkennen. Eine Brücke? Ich musste es versuchen. Bevor ich darauf zuging, zögerte ich jedoch; zuerst musste Dimitri Anstalten machen, den Abhang herunterzukommen. Ich würde nicht einfach losrennen und zulassen, dass er oben am Hang neben mir herlief. Ich brauchte die Zeit, die sein Abstieg mir verschaffen würde. Da. Er machte einen Schritt auf mich zu, und ich rannte los, am Ufer entlang, ohne zurückzublicken. Die Brücke kam schnell näher, und während sie das tat, wurde mir klar, wie hoch sie eigentlich war. Von der Stelle aus, an der ich gelandet war, hatte ich sie falsch eingeschätzt. Je länger ich flussabwärts lief, desto höher reichte der Abhang hinauf. Mir stand also ein höllischer Aufstieg bevor.
Kein Problem. Darüber würde ich mir später den Kopf zerbrechen – womit ich meinte, in etwa dreißig Sekunden, denn so lange würde Dimitri wahrscheinlich brauchen, um mich einzuholen. Und wie die Dinge lagen, hörte ich ihn bereits, durch das seichte Wasser am Ufer laufen, und das Platschen kam schnell näher. Wenn ich doch nur die Brücke erreichen konnte, wenn ich doch nur den Abhang erklimmen und es auf die andere Seite schaffen konnte …
Die Übelkeit schlug über mir zusammen. Eine Hand griff von hinten in meine Jacke und riss mich zurück. Ich prallte gegen Dimitri und versuchte sofort, gegen ihn anzukämpfen und mich loszureißen. Aber Gott, ich war so schrecklich müde. Jeder Teil meines Körpers schmerzte, und ganz gleich wie erschöpft er auch sein mochte, ich war schlimmer dran.
„Hör auf damit!“, brüllte er und packte mich an den Armen. „Kapierst du es denn nicht? Du kannst nicht gewinnen!“
„Dann töte mich!“ Ich zappelte, aber sein Griff um meine Oberarme war zu stark, und obwohl ich den Pflock in der Hand hielt, konnte ich nichts damit anfangen. „Du sagtest, du würdest es tun, wenn ich mich nicht ergebe. Tja, stell dir vor. Ich habe mich nicht ergeben. Und ich werde mich auch nicht ergeben. Also, bring es einfach hinter dich.“
Das trügerische Mondlicht beleuchtete sein Gesicht, löschte die normalen Schatten aus und ließ seine Haut in der dunklen Nacht grellweiß hervorstechen. Es war, als seien alle Farben der Welt ausgelöscht worden. Seine Augen sahen zwar lediglich dunkel aus, aber in meiner Vorstellung glühten sie feuerrot. Seine Miene war kalt und berechnend.
Nicht mein Dimitri.
„Es würde mir wirklich sehr viel abverlangen, dich zu töten, Rose“, sagte er. „Das reicht mir einfach nicht.“
Ich war nicht überzeugt. Er hielt mich mit diesem eisernen Griff fest und beugte sich zu mir. Er würde mich beißen. Seine Zähne würden meine Haut durchstoßen, und Dimitri würde mich in ein Ungeheuer verwandeln, wie er selbst eines war, oder einfach trinken, bis ich starb. So oder so, ich würde ohnehin mit Drogen vollgepumpt und zu dumm sein, überhaupt etwas davon zu merken. Die Person Rose Hathaway würde diese Welt endgültig verlassen und es nicht einmal mitbekommen.
Wilde Panik ergriff mich – selbst als der Teil von mir, der noch an Entzugserscheinungen litt, nach mehr von diesen herrlichen Endorphinen schrie. Nein, nein, nein. Ich konnte das nicht zulassen. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, jede Faser meines Körpers wollte sich verteidigen, angreifen, irgendetwas … irgendetwas, um dem hier ein Ende zu bereiten. Ich würde mich nicht verwandeln lassen. Ich konnte mich nicht verwandeln lassen. Ich wünschte mir so sehr, etwas tun zu können, um mich zu retten. Mein ganzes Wesen wurde von diesem Verlangen verzehrt. Ich konnte spüren, dass es bereit war, einfach herauszuplatzen, bereit war …
Meine Hände konnten einander berühren, bekamen Dimitri aber nicht zu packen. Mit ein wenig Geruckel gelang es mir, Oksanas Ring abzustreifen. Er glitt von meinem Finger und fiel in den Schlamm, gerade als Dimitris Reißzähne meine Haut berührten.
Es war wie eine Atomexplosion. Die Geister und Gespenster, die ich bereits auf dem
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