Vampire Academy 04
Füße zu finden. Ich kletterte weiter, bis ich einen dicken Ast erreichte, von dem ich glaubte, dass er mein Gewicht zu tragen vermochte. Ich setzte mich darauf, hielt mich in der Nähe des Baumstamms und prüfte vorsichtig die Stabilität des Astes. Er hielt. Dann nahm ich den Pflock aus meiner Tasche und wartete.
Etwa eine Minute später hörte ich das sanfte Rascheln von Blättern. Dimitri kam näher, und er bewegte sich viel leiser, als ich es getan hatte. Dann sah ich seine hohe, dunkle Gestalt, ein finsterer Schatten in der Nacht. Er ging sehr langsam und sehr vorsichtig, seine Augen suchten die Umgebung genau ab, und der Rest seiner Sinne war zweifellos ebenso im Einsatz.
„Roza …“ Er sprach leise. „Ich weiß, dass du hier bist. Du hast keine Chance wegzulaufen. Keine Chance, dich zu verstecken.“
Er hielt den Blick auf den Boden gerichtet. Vermutlich dachte er, ich hätte mich hinter einem Baum versteckt oder irgendwo hingehockt. Nur noch ein paar Schritte. Das war alles, was ich von ihm brauchte. Die Hand, in der ich den Pflock hielt, begann zu schwitzen, doch ich konnte sie nicht abwischen. Ich war erstarrt, hielt so still, dass ich nicht einmal zu atmen wagte.
„Roza …“
Dimitris Stimme streichelte kalt und tödlich meine Haut. Während er weiterhin die Umgebung absuchte, machte er einen Schritt vorwärts. Dann noch einen. Und noch einen …
Ich denke, es kam ihm genau in der Sekunde in den Sinn aufzublicken, in der ich sprang. Mein Körper krachte gegen seinen und warf ihn auf den Rücken. Er versuchte sofort, mich abzuschütteln, während ich versuchte, ihm den Pflock ins Herz zu rammen. Die Spuren seiner Erschöpfung und der Kämpfe waren nicht zu übersehen. Der Sieg über die anderen Strigoi hatte zweifellos seinen Tribut gefordert – allerdings war ich kaum besser in Form als er. Wir rangen miteinander, und einmal erwischte ich mit dem Pflock seine Wange. Er knurrte vor Schmerz, hielt jedoch seine Brust gut geschützt. Dennoch konnte ich die aufgerissene Stelle an seinem Hemd sehen, wo ich ihn das erste Mal gepfählt hatte. Die Wunde war bereits verheilt.
„Du. Bist. Umwerfend“, sagte er, und aus seinen Worten sprachen sowohl Stolz als auch der Zorn des Kämpfers.
Ich hatte nicht genug Energie für eine Erwiderung. Mein einziges Ziel war sein Herz. Ich kämpfte darum, oben zu bleiben, und endlich durchstach mein Pflock seine Brust – doch er war zu schnell. Er schlug meine Hand weg, bevor ich ihm den Pflock richtig ins Herz rammen konnte. Und dann schleuderte er mich von sich. Ich flog einige Meter weit, prallte barmherzigerweise jedoch nicht gegen irgendwelche Bäume. Benommen rappelte ich mich hoch und sah ihn auf mich zukommen. Er war schnell – aber nicht mehr so schnell, wie er es bei früheren Kämpfen gewesen war. Bei dem Versuch, einander zu töten, würden wir uns noch selbst umbringen.
Ich hatte meinen Vorteil verloren, daher rannte ich tiefer in das Wäldchen hinein, wohl wissend, dass er direkt hinter mir war. Ich war davon überzeugt, dass er schneller laufen konnte als ich, aber wenn ich mir auch nur einen winzigen Vorsprung erobern konnte, erreichte ich vielleicht einen anderen guten Angriffsplatz und konnte versuchen …
„Ahhh!“
Mein Schrei zerriss die stille Dunkelheit der Nacht. Mein Fuß war unter mir weggerutscht, und ich schlitterte in hohem Tempo einen steilen Abhang hinunter, außerstande, mich irgendwo festzuhalten. Es wuchsen zwar einige Bäume an diesem Hang, aber die Steine und meine ungelenke Haltung machten den Sturz äußerst schmerzhaft, vor allem, da ich dieses Sweaterkleid trug. Wie es mir gelang, dabei den Pflock festzuhalten, war mir schleierhaft. Unsanft kam ich unten an, schaffte es, kurz aufzustehen, stolperte jedoch prompt wieder und fiel – ins Wasser.
Ich schaute mich um. Wie aufs Stichwort spähte der Mond hinter den Wolken hervor und spendete immerhin so viel Licht, dass ich vor mir eine riesige Fläche schwarzen, schnell fließenden Wassers erkennen konnte. Ich starrte restlos verwirrt auf die Wassermassen, dann wandte ich mich der Stadt zu. Dieser Fluss war der Ob, und er floss durch Nowosibirsk. Er führte auf direktem Weg mitten in die Stadt. Als ich hinter mich blickte, sah ich Dimitri oben am Hang stehen. Im Gegensatz zu mir hatte er anscheinend aufgepasst, wo er hintrat. Entweder das, oder mein Schrei hatte ihm verraten, dass irgendetwas nicht stimmte.
Doch er würde keine Minute brauchen, um den Hang hinunter und
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