Vampire Academy 04
Strigoi. Keine Erweckung. Damit er mich verwandeln konnte, musste er mich töten, indem er mein Blut trank, und mir dann seinerseits Blut einflößen. Wenn ich mich in die Fluten stürzte, würde das Wasser mich töten, nicht der Blutverlust. Ich würde längst tot sein, bevor er mich im Fluss finden konnte.
„Bitte“, flehte er. Der traurige Unterton in seiner Stimme erschreckte mich, und mein Herz verkrampfte sich. Er erinnerte mich zu sehr an den lebenden Dimitri, den, der kein Ungeheuer gewesen war. An den, der mich geliebt hatte, dem ich etwas bedeutete, der an mich geglaubt und mit mir geschlafen hatte. Dieser Dimitri hier, der nichts von alledem war, machte zwei vorsichtige Schritte auf mich zu und blieb dann wieder stehen. „Wir müssen zusammen sein.“
„Warum?“, fragte ich leise. Der Wind trug dieses Wort davon, aber er hörte es.
„Weil ich dich will.“
Ich schenkte ihm ein trauriges Lächeln und fragte mich, ob wir uns wohl im Land der Toten wiedersehen würden. „Falsche Antwort“, erwiderte ich.
Ich ließ los.
Und er war blitzschnell da, rannte mit irrsinniger Strigoi-Geschwindigkeit zu mir herüber. Er griff nach mir, bekam einen meiner Arme zu fassen und zerrte mich zurück auf das Geländer. Nun, er zerrte mich nur halb zurück. Die andere Hälfte von mir hing immer noch über dem Fluss.
„Hör auf, gegen mich anzukämpfen!“, sagte er und versuchte, an dem Arm zu ziehen, den er zu fassen gekriegt hatte.
Er steckte selbst in einer ziemlich prekären Lage, während er rittlings auf dem Geländer saß und sich so weit vorbeugte, dass er mich so gerade noch festhalten konnte.
„Lass mich los!“, brüllte ich zurück.
Doch er war zu stark und hievte meinen Oberkörper über das Geländer, sodass sich die Gefahr eines erneuten Sturzes verringerte.
Die Lage stellte sich jetzt folgendermaßen dar: In jenem Moment, kurz bevor ich losließ, hatte ich ernsthaft mit meinem Tod gerechnet. Ich hatte mich damit abgefunden und ihn akzeptiert. Gleichzeitig war mir jedoch bewusst gewesen, dass Dimitri vielleicht versuchen würde, mich davon abzuhalten. Schnell und gut genug dazu war er allemal. Und aus eben diesem Grund hielt ich in der Hand, die noch frei herunterbaumelte, meinen Pflock bereit.
Ich sah ihm in die Augen. „Ich werde dich immer lieben.“
Dann rammte ich ihm den Pflock in die Brust.
Der Stoß fiel nicht so präzise aus, wie ich es gern gehabt hätte, denn er wich mir geschickt aus. Doch ich gab nicht auf und versuchte, ihm den Pflock tief genug ins Herz zu bohren, unsicher, ob ich das aus diesem Winkel überhaupt schaffen konnte. Schließlich hörte er auf, sich zur Wehr zu setzen. Seine Augen starrten mich fassungslos an, und seine Lippen verzogen sich beinahe zu einem Lächeln, wenn auch zu einem grausigen, gequälten Lächeln.
„Das war eigentlich mein Text …“, hauchte er.
Und das waren seine letzten Worte.
Sein missglückter Versuch, dem Pflock auszuweichen, hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Magie des Pflocks erledigte den Rest, betäubte ihn und seine Reflexe.
Dimitri fiel.
Um ein Haar hätte er mich mit in die Tiefe gezogen, und es gelang mir nur mit knapper Not, mich von ihm loszureißen und am Geländer festzuklammern. Er stürzte hinunter in die Dunkelheit – hinunter in die Schwärze des Ob. Einen Moment später war er verschwunden.
Ich starrte ihm nach und fragte mich, ob ich ihn im Wasser sehen würde, wenn ich mich nur genug anstrengte. Doch ich sah ihn nicht. Der Fluss war zu dunkel und lag zu tief unter mir. Wolken zogen vor den Mond, und abermals senkte sich Dunkelheit über alles. Während ich hinunterschaute und begriff, was ich gerade getan hatte, verspürte ich einen Moment lang den dringenden Wunsch, ihm nachzuspringen, denn ich wusste einfach nicht, wie ich jetzt noch weiterleben sollte.
Du musst. Meine innere Stimme war viel ruhiger und zuversichtlicher, als sie es hätte sein sollen. Der alte Dimitri hätte gewollt, dass du lebst. Wenn du ihn wirklich geliebt hast, dann musst du weitermachen.
Mit einem zittrigen Atemzug kletterte ich über das Geländer und stand schließlich wieder auf der Brücke, überraschend dankbar für ihre Sicherheit. Ich wusste zwar nicht, wie ich weiterleben sollte, aber ich wusste ganz genau, dass ich leben wollte. Und ich würde mich erst wieder sicher fühlen, wenn ich festen Boden unter den Füßen hatte. Obwohl mein Körper zusammenzubrechen drohte, machte ich mich langsam daran, die Brücke
Weitere Kostenlose Bücher