Vampire Academy 04
klar, dass seine Dienste den Schutz vor Strigoi weit überstiegen. Mit großen Schritten hielt er auf Lissa zu, packte sie, ohne zu zögern, und zerrte sie unwirsch zurück zum Fenster.
Für einen Moment gerieten meine Anweisungen ins Stocken. Ich hatte ihr zwar so einigermaßen vermitteln können, wie sie einen mürrischen Teenager abwehren sollte. Aber einen Wächter? Zudem hatte sich dieser mürrische Teenager inzwischen erholt und sich Simon angeschlossen, um den Job zu erledigen.
Benutze Zwang gegen ihn!
Es war meine letzte verzweifelte Idee. Das war Lissas Stärke. Der Alkohol, den sie zuvor getrunken hatte, war zwar inzwischen so weit abgebaut, dass sich ihre Koordinationsfähigkeit gebessert hatte, aber unglücklicherweise beeinträchtigte er noch immer ihren Zugriff auf das Geistelement. Sie konnte die Macht berühren – jedoch nur einen sehr kleinen Teil davon. Ihre Geistkontrolle war auch ziemlich schwerfällig. Nichtsdestotrotz war sie fest entschlossen. Sie zog so viel Geist in sich hinein, wie sie konnte, und kanalisierte ihn in Zwang. Nichts geschah. Dann nahm ich das seltsame Kitzeln in meinem Kopf wahr. Zuerst dachte ich, Avery hätte wieder ihre Finger mit im Spiel, nur dass diesmal niemand in mich hineingriff, sondern es eher so war, als greife jemand durch mich hindurch.
Lissas Macht wallte auf, und mir wurde klar, was geschah. Oksana war immer noch da, irgendwo im Hintergrund, und sie lieh mir abermals ihre Kraft, kanalisierte sie durch mich hindurch und in Lissa hinein. Simon erstarrte, und das war geradezu lustig. Denn bei dem Versuch, auf sie loszugehen und den tödlichen Auftrag auszuführen, zuckte er so komisch und wiegte sich immer vor und zurück. Es sah aus, als schwebe er in Wackelpudding.
Aus Angst, die Kontrolle wieder zu verlieren, wollte Lissa sich lieber nicht von der Stelle bewegen. Außerdem gab es da noch das Problem, dass Reed nicht unter Zwang stand, doch für den Augenblick schien er ohnehin zu verwirrt von der Sache mit Simon, um angemessen zu reagieren.
„Sie können mich nicht einfach töten!“, platzte Lissa heraus. „Meinen Sie nicht, die Leute würden Fragen stellen, wenn sie meinen Leichnam unter einem Fenster finden?“
„Sie werden es nicht bemerken“, sagte Simon steif. Selbst diese wenigen Worte bedeuteten eine enorme Anstrengung für ihn. „Nicht, wenn Sie wieder zum Leben erweckt werden. Und sollte das nicht möglich sein, dann war es eben ein tragischer Unfall eines Problemkinds.“
Langsam, ganz langsam löste er sich aus ihrem Zwang. Ihre Macht war zwar noch da, wurde jedoch allmählich schwächer – irgendwo schien da ein Leck zu sein, und die Macht sickerte einfach hindurch. Ich vermutete, dass es entweder an Averys Einfluss lag oder einfach an Lissas geistiger Erschöpfung. Vielleicht aber auch an beidem. Ein Ausdruck selbstgefälliger Genugtuung legte sich über Simons Züge, als er losstürzte und …
Er erstarrte abermals.
Am äußersten Rand von Lissas Blickfeld leuchtete eine flammend goldene Aura auf. Lissa drehte den Kopf gerade weit genug, um Adrian in der Tür zu sehen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war urkomisch, aber Schock hin oder her, er hatte die Situation schnell genug erfasst, um Simon ins Visier zu nehmen. Jetzt war es Adrians Zwang, der den Wächter bewegungsunfähig machte. Lissa entwand sich seinem Griff und versuchte abermals, von diesem verdammten Fenster wegzukommen.
„Halt ihn fest!“, rief Lissa.
Adrian verzog das Gesicht. „Ich … kann nicht. Was zum Teufel ist hier los? Es kommt mir so vor, als wäre da noch jemand …“
„Avery“, sagte Lissa und warf einen kurzen Blick auf das andere Mädchen. Averys Gesicht war selbst für eine Moroi ziemlich bleich geworden. Ihr Atem ging schwer, und sie schwitzte mittlerweile noch stärker. Sie kämpfte gegen Adrians Zwang. Einige Sekunden später befreite Simon sich zum zweiten Mal. Er ging auf Lissa und Adrian zu, aber seine Bewegungen wirkten irgendwie träge.
Verdammt, dachte ich.
Was jetzt?, wollte Lissa wissen.
Reed. Nimm dir Reed vor. Schalte ihn aus.
Reed war während des Kampfes mit Simon wie erstarrt stehen geblieben und verfolgte fasziniert das Geschehen. Genau wie bei dem Wächter waren auch seine Bewegungen ein wenig träge, dennoch hatte er es wieder auf Lissa abgesehen. Simon hatte anscheinend beschlossen, dass Adrian die unmittelbare Bedrohung darstellte, und steuerte nun auf ihn zu. Nun galt es, herauszufinden, ob das Motto „Teile und
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