Vampire Academy 04
niemand sonst in der Lage, die Geister zu sehen, die ich sah – bis auf die Strigoi, wie sich herausgestellt hatte.
„Dann musst du wirklich eine ziemlich gute Ausbildung gehabt haben“, bemerkte Karolina und veränderte ihre Haltung ein wenig, sodass das Baby jetzt an ihrer Schulter lehnte. „Du siehst so aus, als gehörtest du noch in die Schule.“
„Die habe ich gerade hinter mich gebracht“, sagte ich, was mir einen weiteren prüfenden Blick von Sydney einbrachte.
„Sie sind Amerikanerin“, sagte Olena sachlich. „Was um alles in der Welt hat Sie hierhergeführt?“
„Ich … ich suche jemandem“, erwiderte ich nach kurzem Zögern.
Ich hatte Angst, dass alle sofort auf Details drängen würden oder dass Olena womöglich genau wie Sydney argwöhnen könnte, ich wolle eine Bluthure werden, aber in eben diesem Augenblick öffnete sich die Küchentür, und Dimitris Großmutter, Jewa, kam herein. Sie hatte schon vorher ihren Kopf kurz durch die Tür gesteckt und mir einen Heidenschrecken eingejagt. Dimitri hatte mir erzählt, dass sie eine Art Hexe war, und daran hegte ich keinerlei Zweifel. Sie sah aus, als sei sie Trillionen von Jahren alt, und sie war so dünn, dass es an ein Wunder grenzte, dass der Wind sie noch nicht weggeweht hatte. Sie war kaum einen Meter fünfzig groß, und einzelne graue Haarbüschel bedeckten ihren Kopf. Doch es waren ihre Augen, die mir wirklich Angst machten. Der Rest von ihr mochte gebrechlich sein, aber diese dunklen Augen waren scharf und wachsam und schienen sich in meine Seele zu bohren. Selbst ohne Dimitris Erklärung hätte ich sie für eine Hexe gehalten. Außerdem war sie die Einzige im Haus, die kein Englisch sprach.
Sie setzte sich auf einen der freien Stühle, und Olena sprang eilig auf, um weitere Blini zu holen. Jewa murmelte etwas auf Russisch, worauf sich die anderen plötzlich unbehaglich zu fühlen schienen. Sydneys Lippen zuckten zu einem kleinen Lächeln in die Höhe. Jewas Blick ruhte auf mir, als sie sprach, und ich blickte auf der Suche nach einem Übersetzer in die Runde. „Bitte was?“, fragte ich.
„Großmutter sagt, du erzählst uns nicht die ganze Wahrheit darüber, warum du hier bist. Sie sagt, je länger du es hinausschiebst, desto schlimmer wird es“, erklärte Viktoria. Dann warf sie Sydney einen entschuldigenden Blick zu. „Und sie will wissen, wann die Alchemistin uns verlässt.“
„Sobald wie möglich“, sagte Sydney trocken.
„Nun, warum ich hier bin … es ist irgendwie eine lange Geschichte.“ Konnte ich mich nicht noch vager ausdrücken?
Jewa sagte noch etwas, und Olena antwortete in einem Tonfall, der wie eine Zurechtweisung klang. An mich gewandt fügte sie mit sanfter Stimme hinzu: „Ignorieren Sie sie einfach, Rose. Sie hat eine ihrer Launen. Warum Sie hier sind, ist Ihre Angelegenheit – obwohl ich mir sicher bin, dass Abe irgendwann gern mit Ihnen reden würde.“ Sie runzelte leicht die Stirn, und ich musste an die Blicke bei Tisch denken. „Sie sollten sich auf jeden Fall bei ihm bedanken. Er schien sehr besorgt um Sie zu sein.“
„Ich würde ihn auch gern sehen“, murmelte ich, immer noch neugierig auf diesen gut bewachten, nicht königlichen Moroi, der mich hergefahren hatte und der allen Anwesenden Unbehagen zu bereiten schien. Eifrig darauf bedacht, einen weiteren Austausch über den Grund meiner Reise zu vermeiden, wechselte ich hastig das Thema. „Ich würde mich auch schrecklich gern in Baja umsehen. Ich war noch nie zuvor an einem Ort wie diesem – ich meine, wo so viele Dhampire leben.“
Viktorias Miene hellte sich auf. „Na klar kann ich dich herumführen – wenn du dir sicher bist, dass du dich kräftig genug fühlst. Und du nicht sofort aufbrechen musst.“
Sie glaubte, ich sei auf der Durchreise, was mir nur recht sein konnte. Mal ehrlich, ich war mir nicht mehr länger sicher, was ich hier tat, jetzt, da es so aussah, als hielte Dimitri sich nicht in der Gegend auf. Ich warf Sydney einen fragenden Blick zu.
Sie zuckte mit den Schultern. „Mach, was du willst. Ich gehe nirgendwohin.“ Ich fand die ganze Angelegenheit auch ein wenig beunruhigend. Sydney hatte mich hierhergebracht, weil ihre Vorgesetzten es ihr aufgetragen hatten – aber was jetzt? Nun denn, um dieses Problem würde ich mich später kümmern.
Kaum war ich mit dem Essen fertig, zerrte mich Viktoria praktisch auch schon zur Tür hinaus, als sei ich das Aufregendste, was hier seit langer Zeit passiert war. Jewa hatte
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