Vampire Academy 04
seinem Hals und seinen Ohren funkelte. Ich rief dann abermals nach Dimitri, und irgendwann kehrte sein Gesicht zurück, sicher und wunderbar.
An einem Punkt jedoch veränderte sich das Bild erneut, und diesmal nahm es die Züge einer Frau an. Sie war ganz offenkundig nicht Dimitri, aber etwas an ihren braunen Augen erinnerte mich an ihn. Sie war älter, vielleicht in den Vierzigern, und ein Dhampir. Sie legte mir einen kühlen Lappen auf die Stirn, und mir wurde klar, dass ich nicht mehr träumte. Mein Körper schmerzte, ich lag in einem fremden Bett in einem fremden Raum. Keine Spur von den Strigoi. Hatte ich sie auch nur geträumt?
„Versuchen Sie lieber nicht, sich zu bewegen“, sagte die Frau mit der Andeutung eines russischen Akzents. „Sie haben einige böse Treffer einstecken müssen.“
Meine Augen weiteten sich, als ich mich wieder deutlich an die Ereignisse bei der Scheune erinnern konnte, an die Geister, die ich heraufbeschworen hatte. Es war kein Traum gewesen. „Wo ist Sydney? Ist sie okay?“
„Es geht ihr gut. Machen Sie sich keine Sorgen.“ Etwas in der Stimme der Frau sagte mir, dass ich ihr glauben konnte.
„Wo bin ich?“
„In Baja.“
Baja, Baja. Irgendwo in meinem Hinterkopf war mir dieser Name vertraut. Dann machte es plötzlich klick. Vor langer, langer Zeit hatte Dimitri dieses Wort ausgesprochen. Er hatte den Namen seiner Heimatstadt nur ein einziges Mal erwähnt, und obwohl ich es versucht hatte, war es mir niemals möglich gewesen, mich daran zu erinnern. Und Sydney hatte mir den Namen nicht verraten wollen. Aber jetzt waren wir hier. Dimitris Zuhause.
„Wer sind Sie?“, fragte ich.
„Olena“, sagte sie. „Olena Belikova.“
7
Es war wie Weihnachten.
Normalerweise habe ich nicht viel übrig für Gott oder das Schicksal, aber jetzt kam ich ernsthaft ins Grübeln. Nachdem ich ohnmächtig geworden war, hatte Sydney offenbar einige verzweifelte Anrufe getätigt, und ein Bekannter aus Baja war sofort zu uns gefahren und hatte den Gefahren der Dunkelheit getrotzt, um uns zu retten und an einen Ort zu bringen, an dem ich behandelt werden konnte. Das klärte dann wohl die Frage, warum ich während meines Deliriums das vage Gefühl gehabt hatte, mich in einem Auto zu befinden; es war nicht alles Teil des Traums gewesen.
Und dann hatte man mich doch tatsächlich, bei all den Dhampiren in Baja, ausgerechnet zu Dimitris Mutter gebracht. Das genügte, um mich aufrichtig darüber nachdenken zu lassen, dass im Universum vielleicht wirklich Kräfte am Werk sein könnten, die größer waren als ich. Niemand erzählte mir genau, wie es dazu gekommen war, aber ich erfuhr schon bald, dass Olena Belikova im Ruf stand, eine ausgezeichnete Heilerin zu sein – und dabei ging es nicht einmal um irgendeine Art magischer Heilung. Sie hatte eine medizinische Ausbildung genossen und war die Person in dieser Region, zu der andere Dhampire – und sogar einige Moroi – gingen, wenn sie menschliche Aufmerksamkeit vermeiden wollten. Trotzdem. Der Zufall war unheimlich, und ich konnte nicht umhin zu denken, dass da etwas vor sich ging, von dem ich nichts verstand.
Für den Augenblick machte ich mir jedoch keine allzu großen Sorgen über das Wie und das Warum meiner gegenwärtigen Situation. Ich war zu sehr damit beschäftigt, meine Umgebung und ihre Bewohner mit großen Augen anzustarren. Olena lebte nicht allein. Dimitris Schwestern – drei an der Zahl – lebten ebenfalls im Haus, gemeinsam mit ihren Kindern. Die Familienähnlichkeit war verblüffend. Keiner von ihnen sah genauso aus wie Dimitri, aber in jedem Gesicht konnte ich ihn erkennen. Die Augen. Das Lächeln. Selbst der Sinn für Humor. Ihr Anblick stillte den Dimitri-Entzug, den ich hatte, seit er verschwunden war – und machte ihn gleichzeitig noch schlimmer. Wann immer ich einen von ihnen aus den Augenwinkeln wahrnahm, glaubte ich, Dimitri zu sehen. Es war wie ein Spiegelkabinett voller Dimitris.
Selbst das Haus übte auf mich eine besondere Faszination aus. Es gab zwar keine offensichtlichen Hinweise darauf, dass Dimitri jemals hier gelebt hatte, aber ich dachte immer wieder: Das ist der Ort, an dem er aufgewachsen ist. Über diese Böden ist er gegangen, diese Wände hat er berührt … Während ich von Raum zu Raum ging, berührte auch ich die Wände und versuchte, seine Energie aus ihnen zu ziehen. Ich stellte mir vor, wie er auf dem Sofa lümmelte, wenn er in den Schulferien nach Hause kam. Ich fragte mich, ob er als
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