Vampire Academy 04
wenigen Gelegenheiten auf, da ich mich um ihn hatte kümmern können.
Kurz vor dem Angriff auf die Schule hatte Dimitri meine Mitschüler und mich einer Anzahl von Tests unterzogen, um festzustellen, wie gut wir auf Überraschungsangriffe reagierten. Dimitri war knallhart, sodass es fast unmöglich war, ihn zu besiegen, obwohl er sich trotzdem etliche Male Prellungen zuzog. Einmal war ich ihm während dieser Tests in der Turnhalle über den Weg gelaufen und entdeckte zu meiner Überraschung eine Schnittwunde an seiner Wange. Sie war wohl kaum lebensbedrohlich gewesen, blutete aber noch.
„Ist Ihnen bewusst, dass Sie verbluten?“, hatte ich ausgerufen. Das war zwar etwas übertrieben, aber das war mir in dem Moment egal.
Geistesabwesend hatte er seine Wange berührt, als bemerkte er die Verletzung zum ersten Mal. „Ganz so weit würde ich nicht gehen. Es ist nichts.“
„Es ist nichts, bis sich die Wunde entzündet!“
„Sie wissen, dass das höchst unwahrscheinlich ist“, hatte er halsstarrig geantwortet. Das stimmte. Denn Moroi wurden – wenn sie sich nicht gerade wie Victor eine seltene Krankheit zuzogen – kaum jemals krank. Wir Dhampire hatten diese Eigenschaft von ihnen geerbt, ungefähr so wie Sydneys Tätowierung ihr einen gewissen Schutz verlieh. Nichtsdestotrotz hatte ich bestimmt nicht vorgehabt, Dimitri weiter bluten zu lassen.
„Kommen Sie gefälligst mit “, hatte ich gesagt und auf das kleine Badezimmer in der Turnhalle gedeutet. Meine Stimme war energisch gewesen, und zu meiner Überraschung hatte er tatsächlich gehorcht.
Nachdem ich einen Waschlappen befeuchtet hatte, reinigte ich behutsam sein Gesicht. Er protestierte zuerst weiter, verfiel jedoch schließlich in Schweigen. Das Badezimmer war klein, und wir waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Ich hatte seinen sauberen, berauschenden Geruch deutlich wahrgenommen und jede Einzelheit seines Gesichtes und seines starken Körpers betrachtet. Das Herz raste mir in der Brust, aber wir mussten unser bestes Benehmen an den Tag legen, daher versuchte ich, ruhig und gefasst zu wirken. Auch er hatte eine unheimliche Ruhe ausgestrahlt, doch als ich ihm das Haar hinter die Ohren strich, um den Rest seines Gesichts zu säubern, zuckte er zusammen. Die Berührung meiner Fingerspitzen auf seiner Haut hatte Schockwellen durch meinen Körper gesandt, und er hatte sie ebenfalls gespürt. Er packte meine Hand und zog sie weg.
„Genug“, hatte er mit heiserer Stimme gesagt. „Es geht mir gut.“
„Sind Sie sicher?“, fragte ich. Er hatte meine Hand nicht losgelassen. Wir waren einander so nah. So nah … Das kleine Badezimmer stand kurz davor, von der Elektrizität, die sich zwischen uns aufgebaut hatte, zu bersten. Ich wusste, dass dieser Augenblick nicht ewig währen konnte, aber ich hasste es, ihn loszulassen. Gott, manchmal war es schwer gewesen, verantwortungsbewusst zu sein.
„Ja“, antwortete er. Seine Stimme war sanft, und ich wusste, dass er nicht böse auf mich war. Er hatte Angst, Angst davor, wie wenig erforderlich war, um ein Feuer zwischen uns zu entzünden. Denn wie die Dinge lagen, durchströmte eine wohlige Wärme meinen ganzen Körper, nur weil ich seine Hand auf meiner Haut spürte. Als ich ihn berührt hatte, fühlte ich mich einfach vollständig, wie die Person, die zu sein ich seit jeher bestimmt gewesen war. „Danke, Roza.“
Er ließ meine Hand los, und wir widmeten uns beide unseren jeweiligen Aufgaben für den Tag. Doch ich hatte seine Haut und sein Haar noch Stunden später gespürt …
Ich weiß nicht, warum ich von dieser Erinnerung träumte, nachdem ich in der Nähe der Scheune angegriffen worden war. Es kam mir seltsam vor, dass ich mich im Traum um Dimitri kümmerte, während ich diejenige war, die Pflege brauchte. Ich schätze, es spielte im Grunde keine Rolle, was für eine Erinnerung es war, solange sie nur mit ihm zu tun hatte. Bei dem Gedanken an Dimitri fühlte ich mich immer besser; selbst in meinen Träumen gab er mir Kraft und Entschlossenheit.
Aber während ich im Delirium lag und vor mich hindämmerte, tauchten in seinem tröstlichen Gesicht gelegentlich auch die schrecklichen roten Augen und die Reißzähne auf. Dann wimmerte ich und kämpfte darum, dieses Bild zu verdrängen. In anderen Momenten sah er überhaupt nicht mehr aus wie Dimitri. Er verwandelte sich in einen Mann, den ich nicht kannte, einen älteren Moroi mit dunklem Haar und klugen Augen, und er trug Goldschmuck, der an
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