Vampire Academy 04
wollte.
Doch vor dem Essen gingen alle nach draußen und versammelten sich in einem Halbkreis im Garten. Es war der einzige Ort, der für so viele Leute Platz bot. In diesem Moment erschien ein menschlicher Priester. Das überraschte mich ein wenig, aber ich nahm an, wenn Dhampire in einer menschlichen Stadt lebten, besuchten sie wohl auch eine menschliche Kirche. Und für die meisten Menschen sahen Dhampire ohnehin so aus wie sie, daher dachte der Priester zweifellos, er befände sich auf einem gewöhnlichen Hausbesuch. Sogar einige Moroi, die sich in der Stadt aufhielten, waren zugegen, doch auch sie konnten mehr oder weniger als Menschen durchgehen – als blasse Menschen –, solange sie sich mit ihren Reißzähnen zurückhielten. Menschen erwarteten nicht, das Übernatürliche zu sehen, daher erwog ihr Verstand es auch nur in den seltensten Fällen als mögliche Option, selbst dann nicht, wenn sie es direkt vor der Nase hatten.
Alle wurden still. Die Sonne ging unter, und der westliche Himmel glühte in einem tiefen Orange. Die Schatten der Nacht legten sich über uns. Der Priester zelebrierte einen Beerdigungsgottesdienst auf Russisch und sang mit einer Stimme, die in dem dunkler werdenden Garten klang, als sei sie nicht von dieser Welt.
Alle Gottesdienste, die ich je besucht hatte, waren auf Englisch abgehalten worden, und dieser fühlte sich trotz der fremden Sprache kaum anders an. Gelegentlich bekreuzigten sich die Anwesenden, und da ich die richtigen Stichworte nicht kannte, beobachtete ich einfach und wartete ab, während die klagende Stimme des Priesters meine Seele erfüllte. Meine Gefühle für Dimitri wirbelten in mir wie ein heranwachsender Sturm, und ich musste mich zusammenreißen, um sie in meinem Herzen verschlossen zu halten. Als der Gottesdienst ein Ende fand, verflog die unheimliche Spannung, von der die Gruppe erfasst gewesen war. Die Leute bewegten sich wieder, umarmten die Belikovs und schüttelten dem Priester die Hand. Kurze Zeit später machte er sich wieder auf den Weg.
Gleich im Anschluss folgte das Trauermahl. Teller wurden gefüllt, und alle setzten sich, wo immer sie einen Platz finden konnten, sei es im Haus oder im Garten. Ich kannte eigentlich keinen der Gäste, und Dimitris Familie hatte viel zu viel damit zu tun, herumzulaufen und möglichst alle willkommen zu heißen, als dass sie mir ihre Aufmerksamkeit hätten schenken können. Sydney blieb die meiste Zeit in meiner Nähe, und obwohl unser Gespräch recht oberflächlich war, fand ich ihre Anwesenheit irgendwie tröstlich. Wir saßen im Wohnzimmer auf dem Boden und lehnten uns an die Wand neben dem Bücherregal. Sie stocherte wie immer in ihrem Essen herum und entlockte mir damit ein Lächeln. Diese vertraute Eigenart hatte etwas Beruhigendes an sich.
Als das Abendessen vorbei war, standen die Leute in kleinen Gruppen herum und plauderten. Ich konnte nichts davon verstehen, aber ich hörte immer wieder seinen Namen: Dimitri, Dimitri. Es erinnerte mich an das unverständliche Zischen, das die Geister während ihrer Besuche von sich gaben. Es war bedrückend und betäubend, und die Macht seines Namens lastete schwer auf meinem Herzen. Dimitri, Dimitri. Nach einer Weile wurde es mir einfach zu viel. Sydney war für ein Weilchen verschwunden, daher ging ich hinaus, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Einige Leute hatten hinter dem Haus ein Lagerfeuer entzündet und saßen darum herum. Aber auch sie redeten noch immer von Dimitri, daher schlenderte ich in den vorderen Teil des Gartens.
Ich wanderte die Straße hinunter, hatte aber nicht die Absicht, besonders weit laufen. Die Nacht war warm und klar, und der Mond und die Sterne glühten hell am tiefschwarzen Himmel. Meine Gefühle waren völlig verworren, und jetzt, da ich allein war, ließ ich einem kleinen Teil dieser angestauten Emotionen freien Lauf; lautlos rannen mir die Tränen über meine Wangen. Als ich einige Häuser entfernt war, setzte ich mich an den Straßenrand, ruhte mich aus und genoss die Stille um mich herum. Doch der Friede währte nicht lange – meine scharfen Ohren nahmen Stimmen wahr, die vom Haus der Belikovs kamen. Drei Gestalten tauchten auf. Eine, hochgewachsen und schlank, entpuppte sich als Moroi, die beiden anderen als Dhampire. Ich starrte sie nur an, als sie vor mir stehen blieben. Ohne mich um Förmlichkeiten zu scheren, blieb ich, wo ich war, und blickte in die dunklen Augen des Moroi. Ich hatte diese Gruppe beim Gottesdienst nicht
Weitere Kostenlose Bücher