Vampire Academy 04
Gangster, oder?“
„Schätze schon“, erwiderte sie, als sei das keine große Sache. „Aber er ist der Grund, warum du hier bist.“
„Ja, ich weiß, er ist extra losgefahren, um uns abzuholen.“
Viktoria schüttelte den Kopf. „Nein, ich meine hier. Ich schätze, du hast während der Autofahrt immer wieder ‚Belikov, Belikov‘ gesagt. Da hat Abe vermutet, dass du uns kennst. Deshalb hat er dich zu unserem Haus gebracht.“
Das überraschte mich. Ich hatte von Dimitri geträumt, also hatte ich natürlich auch seinen Nachnamen gesagt. Aber ich hatte keine Ahnung, dass das auch der Grund war, warum ich hier gelandet war. Ich hatte vermutet, dass dafür Olenas medizinische Ausbildung ausschlaggebend war.
Dann fügte Viktoria die erstaunlichste Äußerung überhaupt hinzu. „Als ihm klar wurde, dass wir dich nicht kannten, wollte er dich an einen anderen Ort bringen – aber Großmutter sagte, wir müssten dich behalten. Ich glaube, sie hatte einen Traum, in dem du zu uns gekommen bist.“
„Wie bitte?“ Die verrückte, unheimliche Jewa, die mich hasste? „Jewa hat von mir geträumt?“
Viktoria nickte. „Sie besitzt diese Gabe. Bist du dir sicher, dass du Abe nicht kennst? Er ist eine zu große Nummer, um ohne Grund hier zu sein.“
Bevor ich antworten konnte, kam Olena auf uns zugeeilt und fasste mich am Arm. „Wir haben nach Ihnen gesucht. Warum hat das so lange gedauert?“ Diese Frage galt Viktoria.
„Abe war …“
Olena schüttelte den Kopf. „Egal. Kommt. Alle warten schon.“
„Worauf?“, fragte ich, als Olena mich auch schon durchs Haus in den Garten zog.
„Das hatte ich dir eigentlich sagen sollen“, erklärte Viktoria, während sie neben mir hertrippelte. „Das ist der Teil, bei dem alle zusammensitzen und Dimitris gedenken, indem sie Geschichten erzählen.“
„Es hat ihn so lange niemand mehr gesehen. Wir wissen nicht, was ihm in letzter Zeit widerfahren ist“, erklärte Olena. „Du musst es uns sagen.“
Ich zuckte zusammen. Ich? Ich schreckte vor diesem Gedanken zurück, insbesondere als wir nach draußen kamen und ich all die Gesichter rund um das Lagerfeuer sah. Ich kannte kein einziges davon. Wie sollte ich hier über Dimitri reden? Wie hätte ich preisgeben können, was meinem Herzen am nächsten war? Plötzlich schienen alle Leute miteinander zu verschmelzen, und ich glaubte schon, gleich das Bewusstsein zu verlieren. Noch nahm niemand Notiz von mir. Karolina sprach gerade und hielt dabei ihr Baby in den Armen. Immer wieder machte sie eine Pause, und die anderen lachten. Viktoria setzte sich auf eine Decke und zog mich zu sich runter. Kurze Zeit später gesellte sich Sydney zu uns.
„Was sagt sie gerade?“, flüsterte ich.
Viktoria hörte ihrer Schwester einige Sekunden lang zu, dann beugte sie sich zu mir herüber. „Sie erzählt von der Zeit, als Dimitri noch sehr jung war, als er sie und ihre Freundinnen immer angebettelt hat, ihn mitspielen zu lassen. Er war etwa sechs, und sie waren schon acht und wollten ihn nicht dabeihaben.“ Viktoria lauschte dem nächsten Teil der Geschichte. „Zu guter Letzt sagte Karolina ihm, dass er nur mitspielen dürfe, wenn er sich mit ihren Puppen verheiraten ließe. Also zogen Karolina und ihre Freundinnen ihn und die Puppen immer schick an und veranstalteten eine Hochzeit nach der anderen. Dimitri wurde mindestens zehnmal verheiratet.“
Bei der Vorstellung, wie der knallharte, sexy Dimitri sich von seiner großen Schwester in Schale werfen ließ, konnte ich mir ein Lachen einfach nicht verkneifen. Wahrscheinlich war er an seine Hochzeitszeremonie mit einer Puppe auf eine ebenso stoische und ernste Weise herangegangen, wie er auch seine Wächterpflichten gehandhabt hatte.
Andere Leute ergriffen das Wort, und ich versuchte, mithilfe der Übersetzungen Schritt zu halten. Alle Geschichten berichteten von Dimitris Güte und Charakterstärke. Selbst wenn er nicht gegen die Untoten gekämpft hatte, war Dimitri immer da gewesen, um jenen zu helfen, die Hilfe brauchten. Fast jeder konnte sich an eine Gelegenheit erinnern, bei der Dimitri aufgesprungen war, um anderen zu helfen, bei der er sein Bestes gegeben hatte, um das zu tun, was richtig war, selbst in gefährlichen Situationen. Das überraschte mich nicht. Dimitri tat immer das Richtige.
Und diese Haltung hatte ich so sehr an ihm geliebt. Ich war ganz ähnlich gepolt. Auch ich war immer sofort zur Stelle, wenn andere mich brauchten, manchmal auch dann, wenn ich besser
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