Vampire Academy 04
du nicht mit ihr gegangen?“
„Was?“, stammelte Lissa. „Warum sollte ich das tun? Rose hat die Schule verlassen. Das werde ich ganz bestimmt nicht machen.“
„Ja, vermutlich nicht.“ Mia wurde nachdenklich. „Ihr zwei steht einander nur so nah – selbst ohne das Band. Ich habe einfach angenommen, ihr würdet einander bis ans Ende der Welt folgen und die Einzelheiten später regeln.“ In Mias Leben hatte es so viel Aufruhr gegeben, dass dergleichen Dinge sie nicht mehr aus der Bahn werfen konnten.
Die bedrohlich schwankende Wut, die ich schon häufiger bei Lissa wahrgenommen hatte, hob plötzlich den Kopf und richtete sich gegen Mia. „Hm, tja, wenn wir einander tatsächlich so nahestünden, sollte man doch meinen, sie wäre gar nicht erst weggegangen. Sie ist die Selbstsüchtige, nicht ich.“
Ihre Worte trafen mich tief, und Mia war sichtlich erschrocken. Mia hatte selbst ein hitziges Temperament, doch sie hielt es in Schach und hob nur entschuldigend die Hände. Sie hatte sich wirklich verändert. „Tut mir leid. Wollte dir keine Vorwürfe machen oder so.“
Lissa sagte nichts mehr. Seit meinem Weggang von der Akademie hatte sie sich wegen vieler Dinge gegrämt. Wieder und wieder hatte sie darüber nachgedacht, was sie vor oder nach dem Angriff für mich hätte tun können, womit sie mich zum Bleiben hätte bewegen können. Aber ihr war nie in den Sinn gekommen, mich zu begleiten, und diese Offenbarung traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Mias Worte hatten gleichzeitig Schuldgefühle und Ärger in ihr geweckt – und sie war sich nicht sicher, auf wen sie vor allem wütend war: auf mich oder auf sich selbst.
„Ich weiß, was du denkst“, sagte Adrian einige Minuten später, nachdem Mia Jill mitgenommen und versprochen hatte, sich später mit den anderen zu treffen.
„Was, kannst du jetzt etwa Gedanken lesen?“, erwiderte Lissa.
„Das brauche ich gar nicht. Es steht dir ins Gesicht geschrieben. Und Rose hätte niemals zugelassen, dass du sie begleitest, also hör auf, dich deswegen zu quälen.“
Sie betraten das königliche Gästehaus, das immer noch genauso luxuriös und feudal war wie bei meinem letzten Besuch. „Das kannst du nicht wissen. Ich hätte sie dazu überreden können.“
„Nein“, widersprach Adrian scharf. „Das hättest du nicht. Ich meine es ernst – gib dir nicht noch einen Grund, depressiv zu sein.“
„He, wer hat behauptet, ich sei depressiv? Wie ich schon sagte, sie hat mich im Stich gelassen.“
Adrian war überrascht. Seit ich die Akademie verlassen hatte, war Lissa vor allem traurig gewesen. Gelegentlich erfüllte meine Entscheidung sie mit Wut, aber weder Adrian noch ich hatten je eine solche Vehemenz bei ihr erlebt. In ihrem Herzen brodelten dunkle Gefühle.
„Ich dachte, du würdest es verstehen“, sagte Adrian mit einem schwachen, verwirrten Stirnrunzeln. „Ich dachte, du hättest gesagt, dass du …“
Plötzlich fiel Avery ihnen ins Wort und bedachte Adrian mit einem scharfen Blick. „He, Moment mal. Lass sie in Ruhe, okay? Wir sehen dich dann bei dem Empfang.“
Sie waren an einer Stelle angelangt, an der die Gruppen sich trennen mussten; die Mädchen gingen in den einen Teil der Unterkunft und die Jungen in den anderen. Adrian sah aus, als hätte er gern noch mehr dazu gesagt, stattdessen nickte er nur und verschwand zusammen mit Reed und einigen Wächtern. Avery legte sanft einen Arm um Lissa, während sie gegen Adrian feindselige Funken sprühen ließ.
„Alles in Ordnung mit dir?“ Averys normalerweise lachendes Gesicht war voller Sorge. Das verblüffte Lissa genauso, wie mich Adrians ernsthafte Momente stets verblüfften.
„Ich schätze schon. Ich weiß es nicht.“
„Mach dir keine Vorwürfe wegen der Dinge, die du vielleicht hättest tun können oder tun sollen. Die Vergangenheit ist Geschichte. Sieh nach vorn.“
Lissa war noch immer das Herz schwer, und ihre Stimmung war so schwarz wie schon seit einer ganzen Weile nicht mehr. Sie brachte ein gepresstes Lächeln zustande. „Ich denke, das ist das Klügste, was du je gesagt hast.“
„Ich weiß! Ist das zu glauben? Meinst du, es wird Adrian beeindrucken?“
Sie brachen in Gelächter aus, doch trotz Lissas zur Schau getragenen Fröhlichkeit machten ihr Mias beiläufig dahingesagte Bemerkungen immer noch zu schaffen. Sie quälten Lissa auf eine Weise, die sie nicht für möglich gehalten hätte. Was sie jedoch am meisten umtrieb, war nicht etwa der Gedanke, dass sie mich,
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