Vampire Academy 05
in Trauer. Er machte nicht einmal den Eindruck, als käme er zu einer Verhandlung. Es war eher so, als sei er auf dem Weg zu einer Party gestört worden. Und selbstverständlich stellte er seine gewohnten goldenen Ohrringe und seinen gestutzten schwarzen Bart zur Schau.
Die Richterin brachte den Raum mit einer einzigen Handbewegung zum Schweigen, während er zu ihr hinüberstolzierte.
„Ibrahim Mazur“, sagte sie kopfschüttelnd. In ihrer Stimme lagen zu gleichen Teilen Erstaunen und Missbilligung. „Das kommt … unerwartet.“
Abe machte eine galante Verbeugung. „Es ist wunderschön, Sie wiederzusehen, Paula. Sie sind ja keinen Tag älter geworden.“
„Wir befinden uns nicht in einem Country Club, Mr Mazur“, informierte sie ihn. „Und während Sie hier sind, werden Sie mich bitte mit meinem Titel ansprechen.“
„Ah. Richtig.“ Er zwinkerte. „Entschuldigung, Euer Ehren.“ Dann wandte er sich von ihr ab und sah sich um, bis sein Blick auf mich fiel. „Da ist sie ja. Tut mir leid, dass ich dies jetzt etwas verzögert habe. Lassen Sie uns anfangen.“
Daimon stand auf. „Was soll das? Wer sind Sie? Ich bin ihr Anwalt.“
Abe schüttelte den Kopf. „Es muss da irgendein Versehen gegeben haben. Ich habe eine Weile gebraucht, um einen Flug hierher zu bekommen, daher kann ich verstehen, warum man einen Pflichtverteidiger ernannt hat.“
„Einen Pflichtverteidiger!“
Daimons Gesicht wurde rot vor Entrüstung. „Ich bin einer der renommiertesten Anwälte unter den amerikanischen Moroi.“
„Renommiert, Pflichtverteidiger.“ Abe zuckte die Achseln und lehnte sich auf den Fersen zurück. „Darüber urteile ich nicht. Bitte, Euer Ehren, mich nicht misszuverstehen.“
„Mr Mazur“, schaltete sich nun die Richterin ein, „sind Sie Anwalt?“
„Ich bin eine ganze Menge, Paula – Euer Ehren. Außerdem, spielt das eine Rolle? Sie braucht nur jemanden, der für sie spricht.“
„Und sie hat jemanden“, rief Daimon. „Mich.“
„Jetzt nicht mehr“, sagte Abe, dessen Verhalten immer noch sehr freundlich war. Er hatte keinen Moment lang aufgehört zu lächeln, aber ich glaubte dieses gefährliche Glitzern in seinen Augen zu sehen, das viele seiner Feinde ängstigte. Er war der Inbegriff der Ruhe, während Daimon eher den Eindruck machte, als bekäme er womöglich gleich einen Schlaganfall.
„Euer Ehren …“
„Das reicht!“, sagte sie mit weittragender Stimme. „Das Mädchen soll sich selbst entscheiden.“ Sie richtete den Blick ihrer braunen Augen auf mich. „Wer soll für Sie sprechen?“
„Ich …“ Mir klappte der Unterkiefer herunter, weil ich so plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit stand. Ich hatte das Drama zwischen den beiden Männern wie ein Tennismatch verfolgt, und jetzt hatte mich der Ball am Kopf getroffen.
„Rose.“
Erschrocken drehte ich mich ein wenig um. Daniella Ivashkov hatte sich in die Reihe hinter mir geschoben. „Rose“, flüsterte sie noch einmal, „Sie haben keine Ahnung, wer dieser Mazur ist.“ Ach nein? „Sie wollen bestimmt nichts mit ihm zu tun haben. Daimon ist wirklich der Beste. Er ist nicht leicht zu bekommen.“
Sie kehrte zu ihrem Platz zurück, und ich blickte zwischen meinen potenziellen Rechtsanwälten hin und her. Ich verstand, was Daniella meinte. Adrian hatte sie dazu überredet, Daimon für mich zu engagieren, und dann hatte sie ihrerseits Daimon dazu überredet, das Mandat tatsächlich zu übernehmen. Eine Zurückweisung Daimons wäre eine Beleidigung für sie, und wenn man bedachte, dass sie einer der wenigen Royals war, die in Bezug auf Adrian nett zu mir gewesen waren, wollte ich mir gewiss nicht ihre Abneigung einhandeln. Außerdem, wenn dies von Royals eingefädelt worden war, dann war es wahrscheinlich auch meine beste Chance, einen von ihnen auf meiner Seite zu haben.
Und doch … da war Abe und sah mich mit seinem cleveren Lächeln an. Er war gewiss sehr geschickt darin, seinen Willen zu bekommen, aber das gelang ihm eben ziemlich oft allein durch die Wucht seiner Persönlichkeit und seines Rufs. Wenn es wirklich irgendwelche absurden Beweise gegen mich gab, würde Abes Dreistigkeit nicht genügen, um sie verschwinden zu lassen. Natürlich war er auch verschlagen. Die Schlange. Er konnte das Unmögliche möglich machen; er hatte gewiss an einer Menge Fäden gezogen – für mich.
Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass er kein Anwalt war.
Auf der anderen Seite war er mein Vater.
Er war mein Vater,
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