Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
nicht. Mir ist klar geworden, dass ich Teil eines größeren Prozesses bin, eines Prozesses, der besteht, seit .... “
„Seit dem Anbeginn der Zeit?“, neckte Christian sie, Nathans unsinnige Bemerkung zitierend.
„Fast, ja“, antwortete sie mit einem kleinen Lächeln, das jedoch bald erlosch. „Es geht über die bloße Tradition hinaus, Christian. Die Wahlen sind ein Kernstück unserer Gesellschaft. Ihre Wurzeln reichen tief. Wir können darüber reden, Altersgesetze zu ändern, oder uns streiten oder was auch immer tun, aber das ist uralt. Und reicht weit. Diese Leute da draußen? Das sind nicht alles Amerikaner. Sie sind aus anderen Ländern gekommen. Ich vergesse manchmal, dass sich der Hof zwar hier in Amerika befindet, dass er aber über Moroi auf der ganzen Welt herrscht. Was hier geschieht, betrifft die ganze Welt.“
„Worauf willst du damit hinaus?“, fragte er. Sie war tief in Gedanken und konnte Christian nicht so objektiv betrachten wie ich. Er kannte Lissa. Er verstand sie und liebte sie. Die beiden verfügten über eine Synchronizität ähnlich der, die zwischen Dimitri und mir bestand. Manchmal gingen Lissas Gedanken jedoch in Richtungen, denen Christian nicht folgen konnte. Er hätte es niemals zugegeben, aber ich wusste, dass einer der Gründe, warum er sie liebte, der war, dass Lissa im Gegensatz zu mir, die ich impulsiv handelte, immer wie der Inbegriff von Ruhe und Vernunft erschien. Aber dann tat sie etwas völlig Unerwartetes. Und diese Augenblicke entzückten ihn – manchmal machten sie ihm allerdings auch Angst, weil er nie wusste, wie groß die Rolle war, die Geist dabei spielte. Jetzt war eine jener Gelegenheiten. Er wusste, dass die Wahlen für sie großen Stress bedeuteten, und ähnlich wie ich wusste auch er, dass Stress das Schlimmste an die Oberfläche bringen konnte.
„Ich nehme diese Prüfungen ernst“, erklärte sie. „Es ist – es ist einfach schändlich, das nicht zu tun. Eine Beleidigung unserer Gesellschaft. Mein eigentliches Ziel ist es doch, herauszufinden, wer Rose den Mord angehängt hat. Aber in der Zwischenzeit? Ich werde die Prüfungen absolvieren, als wollte ich Königin werden.“
Christian zögerte, bevor er sprach, was bei ihm selten war. „Willst du denn Königin werden?“
Diese Frage riss Lissa aus ihrem träumerischen Philosophieren über Tradition und Ehre heraus. „Nein! Natürlich nicht. Ich bin achtzehn Jahre alt. Ich darf noch nicht einmal Alkohol trinken.“
„Das hat dich aber nie daran gehindert, es zu tun“, bemerkte er und war jetzt schon wieder deutlich mehr der Alte.
„Ich meine es wirklich ernst! Ich will aufs College gehen. Ich will Rose zurückhaben. Ich will nicht über die Nation der Moroi herrschen.“
Ein verschlagener Ausdruck stahl sich auf Christians Gesicht, und seine blauen Augen leuchteten. „Weißt du, Tante Tasha macht gern Witze darüber, dass du tatsächlich eine bessere Königin abgeben würdest als die anderen, nur dass ich hin und wieder .... also manchmal glaube ich nicht, dass sie scherzt.“
Lissa stöhnte und räkelte sich auf dem Bett. „Ich liebe sie, aber wir müssen sie in Schach halten. Wenn tatsächlich jemand dafür sorgen kann, dass dieses Gesetz geändert wird, dann sind es sie und ihre Freunde von den Aktivisten.“
„Mach dir da keine Sorgen. Ihre Freunde von den Aktivisten protestieren gegen so viele Dinge, dass sie für gewöhnlich nicht gleichzeitig hinter ein und derselben Sache stehen.“ Christian streckte sich neben ihr aus und zog sie an sich. „Aber wie dem auch sei, ich glaube jedenfalls, dass du eine großartige Königin abgeben würdest, Prinzessin Dragomir.“
„Du wirst dich schmutzig machen“, warnte sie ihn.
„Ich bin doch schon schmutzig. Oh, du meinst, wegen deiner Kleider?“ Ohne sich darum zu kümmern, dass sie nass und schlammig waren, schlang er die Arme um sie. „Ich habe den größten Teil meiner Kindheit damit verbracht, mich auf einem staubigen Dachboden zu verstecken, und ich besitze genau ein einziges Anzughemd. Glaubst du denn wirklich, mir liegt etwas an diesem T-Shirt?“
Sie lachte, dann aber küsste sie ihn und gestattete sich einen Moment lang, alle Sorgen loszulassen und einfach nur das Gefühl seiner Lippen auszukosten. Angesichts der Tatsache, dass sie auf einem Bett lagen, fragte ich mich, ob es nicht an der Zeit für meinen Abgang sei. Nach einigen Sekunden zog sie sich zurück und seufzte zufrieden.
„Weißt du, manchmal glaube ich, ich
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