Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
cleverer Verhandlungstaktik schien Sonya hinsichtlich dieser Reise immer noch Unbehagen zu spüren. Sie hatte nach wie vor ein schlechtes Gewissen und kam sich wie eine Verräterin vor.
„Sind wir da?“, fragte ich eifrig. „Und wie lange waren wir unterwegs?“ Ich hatte kaum auf die Fahrt geachtet. Zwar war ich während ihres ersten Teils wach gewesen, aber der Rest bestand aus einem Nebel aus Lissa und Adrian.
„Sechs Stunden“, sagte Dimitri.
„Fahren Sie bei der zweiten Ampel nach links“, wies Sonya ihn an. „Jetzt an der Ecke nach rechts.“
Im Wagen baute sich Spannung auf. Alle waren jetzt wach, und mein Herz raste, während wir tiefer und tiefer in die Vororte eindrangen. Welches Haus ist es? Waren wir schon in der Nähe? War es wohl eins von diesen? Es war zwar eine schnelle Fahrt gewesen, aber sie schien eine Ewigkeit gedauert zu haben. Als Sonya plötzlich die Hand ausstreckte, stießen wir alle gemeinsam einen Seufzer aus.
„Dort.“
Dimitri bog in die Einfahrt eines hübschen Ziegelsteinhauses mit einem perfekt gemähten Rasen. „Wissen Sie, ob Ihre Verwandten noch immer hier leben?“, fragte ich Sonya.
Sie sagte nichts, und mir wurde klar, dass wir erneut das Gebiet ihres gegebenen Versprechens betreten hatten. Rollos runter.
So viel zum Thema Fortschritt. „Da gibt’s wohl nur eine Möglichkeit, das rauszufinden“, sagte ich und löste meinen Sicherheitsgurt. „Derselbe Plan?“
Eine Weile zuvor hatten Dimitri und ich darüber gesprochen, wer hingehen und wer zurückbleiben würde, wenn Sonya uns an den richtigen Ort führte. Die Brüder müssten wir zurücklassen, da gab’s überhaupt keinen Zweifel. Die Frage war jedoch gewesen, wer sie bewachen würde, und da war die Wahl auf Dimitri gefallen, während Sydney und ich mit Sonya zu ihren Verwandten gehen würden – denen zweifellos ein schockierender Besuch bevorstand.
„Derselbe Plan“, stimmte Dimitri zu. „Du gehst ins Haus. Du wirkst weniger bedrohlich.“
„He!“
Er lächelte. „Ich habe gesagt, du wirkst weniger bedrohlich.“
Aber sein Argument hatte etwas für sich. Selbst in gelassenem Zustand verströmte Dimitri etwas Machtvolles und Einschüchterndes. Drei Frauen, die vor der Tür auftauchten, würden diesen Leuten weniger Angst einjagen – vor allem, wenn sich herausstellte, dass Sonyas Verwandte weggezogen waren.
Verdammt, vielleicht hatte sie uns ja absichtlich zum falschen Haus geführt, wer weiß!
„Sei vorsichtig“, sagte Dimitri, als wir aus dem Wagen stiegen.
„Du auch“, erwiderte ich. Das trug mir ein weiteres Lächeln ein, diesmal allerdings eines, das etwas wärmer und tiefer wirkte.
Die Gefühle, die sich in mir regten, verflüchtigten sich wieder, während Sonya, Sydney und ich über den Bürgersteig gingen. Meine Brust fühlte sich plötzlich wie zugeschnürt an. Das war es. Oder nicht? Würden wir gleich das Ende unserer Reise erreichen? Hatten wir wirklich – und zwar gegen alle Wahrscheinlichkeit – den letzten Dragomir gefunden? Oder hatte man mich von Anfang an getäuscht?
Ich schien nicht die Einzige zu sein, die nervös war. Ich spürte, dass Sydney und Sonya ebenfalls beinahe vor Anspannung knisterten. Wir erreichten die Haustür. Ich holte tief Luft und drückte auf die Klingel.
Einige Sekunden später öffnete ein Mann – er war ein Moroi. Ein vielversprechendes Zeichen.
Er sah uns allen ins Gesicht und fragte sich zweifellos, was eine Moroi, ein Dhampir und ein Mensch an seiner Tür taten. Hörte sich an wie der Anfang eines schlechten Witzes.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte er.
Auf einmal wusste ich nicht weiter. Bei unserem Plan war es um die ganz großen Sachen gegangen: Erics Mätresse und sein Kind der Liebe zu finden. Was wir aber sagen würden, sobald wir tatsächlich dort angelangt waren, schien mir nicht so klar. Ich wartete darauf, dass eine meiner Begleiterinnen das Wort ergriff, aber das war gar nicht nötig. Plötzlich fuhr der Moroi mit dem Kopf herum und stutzte.
„Sonya?“, stieß er hervor. „Bist du das?“
Dann hörte ich eine junge weibliche Stimme hinter ihm rufen: „He, wer ist denn da?“
Jemand zwängte sich neben ihn, jemand, der hochgewachsen und schlank war – jemand, den ich kannte. Mir blieb die Luft weg, während ich ungebärdiges hellbraunes Haar und hellgrüne Augen anstarrte – Augen, die mir schon vor langer Zeit als Hinweis hätten dienen können. Mir hatte es die Sprache verschlagen.
„Rose“, rief Jill
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