Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
allerdings mit jedem Tag etwas mehr. Auch Sie tragen Dunkelheit in sich – aber sie verblasst nicht.“
Ich schauderte. „Lissa. Es ist die Dunkelheit, die ich von ihr aufnehme, nicht wahr?“
„Ja. Ich weiß nicht viel über Bande, aber was Sie tun – selbst wenn es ihr hilft –, ist sehr gefährlich. Geist zerreißt uns, keine Frage, aber in mancher Hinsicht .... ich glaube, wir Geistbenutzer sind ein wenig besser dafür geeignet. Nicht, dass es immer offensichtlich wäre“, fügte sie trocken hinzu. „Aber Sie? Nein. Und ich weiß auch gar nicht, was geschieht, wenn Sie zu viel in sich aufnehmen. Ich habe Angst davor, dass es sich immer weiter aufbauen wird. Ich habe Angst, dass es nur eines einzigen Funkens bedarf – eines einzigen Katalysators – und dass dann die Dunkelheit in Ihnen explodiert.“
„Was geschieht dann?“, flüsterte ich.
Langsam schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß es nicht.“
Mit diesen Worten verblasste der Traum.
Ich sank zurück in einen traumlosen Schlaf, obwohl mein Körper einige Stunden später aus eigenem Antrieb erwachte, als wüsste er, dass es an der Zeit war, meine Wache zu übernehmen. Wieder einmal umgab mich nächtliche Schwärze, in der Nähe hörte ich Dimitris gleichmäßigen Atem und spürte seine Wärme. Alles, was ich gerade mit Sonya besprochen hatte, schlug wieder über mir zusammen. Zu viel, es war einfach zu viel. Ich wusste nicht, wo ich ansetzen sollte, um es zu verarbeiten. Und nein, ich wusste auch nicht, ob ich es glauben konnte, nicht angesichts dessen, was ich im wirklichen Leben gesehen hatte. Verhalten und Gefühle gehen selten Hand in Hand. Mit einem tiefen Atemzug zwang ich mich dazu, eine Wächterin zu sein – und kein emotional verwirrtes Mädchen.
„Du bist jetzt dran mit Schlafen, mein Freund.“
Seine Stimme kam zu mir wie Licht in der Dunkelheit, weich und tief. „Du kannst dich noch etwas länger ausruhen, wenn du es brauchst.“
„Nein, mir geht es gut“, antwortete ich. „Und vergiss nicht, du bist nicht .... “
„Ich weiß, ich weiß.“ Er lachte leise. „Ich bin nicht der General.“ Oh Gott! Einer beendete die Scherze des anderen. Ich glaube durchaus daran, dass Seelen synchron sein können. Nachdem ich mir streng ins Gedächtnis gerufen hatte, dass es bei Sonyas Besuch eigentlich ja nicht um mein Liebesleben gegangen war, erzählte ich Dimitri den Rest des Traums und beschrieb Johns Verrat und Jills Entführung. „Habe ich .... habe ich das Richtige getan, als ich Sonya verriet, wo wir sind?“
Einige Sekunden verstrichen, bevor er antwortete. „Ja. Du hast ganz recht – wir brauchen ihre Hilfe. Und sie kann Jill finden. Das Problem ist, dass Victor und Robert das ebenfalls wissen.“ Er seufzte. „Und du hast auch recht, dass ich mich für das, was uns bevorsteht, besser gut ausruhen sollte.“
Also sagte er auf seine typische, immer effiziente Weise nichts mehr. Schon bald veränderte sich sein Atemgeräusch, da er einschlief. Es war erstaunlich, dass er das mit so wenig Anstrengung hinbekam. Natürlich hatte man uns das als Wächter beigebracht: Schlaft, wenn ihr könnt, denn ihr wisst nicht, wann ihr das nächste Mal dazu kommen werdet! Es war ein Trick, den ich aber nie erlernt hatte. Jetzt starrte ich in die Dunkelheit und lauschte mit geschärften Sinnen auf Geräusche, die eine Gefahr bedeuten konnten.
Ich mochte gar nicht das Talent besitzen, auf der Stelle einzuschlafen, aber ich konnte meinen Körper in einem Zustand der Wachsamkeit halten, während ich trotzdem nach Lissa sah. Jill und unsere Flucht hatten mich heute beschäftigt, aber die Ereignisse bei Hofe lasteten trotzdem schwer auf mir. Irgendjemand hatte versucht, Lissa zu töten, und einige Wächter hatten Eddie weggeschleppt.
Als ich durch ihre Augen blickte, war es keine Überraschung, dass die meisten meiner Freunde beisammen waren. Sie befanden sich in einem strengen, einschüchternden Raum, der dem ähnlich war, in dem man sie wegen meiner Flucht befragt hatte – nur dass dieser Raum größer war. Und mit gutem Grund. Es wimmelte dort von allen möglichen Leuten. Adrian und Christian standen neben Lissa, und ich brauchte keine Aura deuten zu können, um zu wissen, dass den beiden Männern genauso unbehaglich zumute war wie ihr. Hans stand hinter einem Tisch, die Hände auf das Holz gedrückt, beugte sich vor und sah alle mit funkelnden Blicken an. Lissa gegenüber, an der anderen Wand, saß Eddie mit steinerner Miene auf einem
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