Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
beginnen.“
„Ich habe dir bei meiner Anhörung vertraut“, sagte ich zu Abe. „Kannst du mir nicht jetzt auch vertrauen?“
Abe verzog das Gesicht. „Du hast mir aber offenbar nicht genug vertraut, um in West Virginia zu bleiben.“
„Formsache“, erwiderte ich. „Bitte! Wir brauchen deine Hilfe.“
„Und uns läuft die Zeit davon“, fügte Dimitri hinzu.
Abe musterte auch ihn. „Lassen Sie mich raten. Belikov?“ In der Stimme meines Vaters lag Unsicherheit. Adrian hatte seine Sache mit der Tarnung Dimitris zwar ziemlich gut gemacht, aber Abe war gerissen genug, um zu schlussfolgern, wer bei mir war.
„Dad, wir müssen uns wirklich beeilen. Wir haben den Mörder – und wir haben Lissas .... “ Wie sollte ich das erklären? „Eine Chance, Lissas Leben zu verändern.“
Nicht viele Dinge verblüfften Abe, aber ich glaube, dass ich ihn jetzt ernsthaft Dad nannte, das brachte es. Er sah sich im Raum um, und dann blieb sein Blick auf jemandem hängen, und er machte eine kleine, ruckartige Kopfbewegung. Einige Sekunden später zwängte sich meine Mutter zu uns durch. Toll. Er rief – sie kam. In letzter Zeit waren sie so richtig dicke Freunde geworden. Ich hoffte aber sehr, Lissa bliebe die Einzige mit einem unverhofften Geschwisterchen.
„Wer sind diese Leute?“, fragte meine Mutter.
„Rate mal“, erwiderte Abe energisch. „Wer wäre dumm genug, zum Hof zurückzukehren, nachdem er von ihm geflohen ist?“
Die Augen meiner Mutter wurden groß. „Wie .... “
„Keine Zeit“, unterbrach Abe sie. Der scharfe Blick, den er zur Antwort bekam, besagte, dass sie es gar nicht schätzte, wenn man ihr ins Wort fiel. Also vielleicht doch keine Geschwister. „Ich habe das Gefühl, dass sich die Hälfte der Wächter in diesem Raum bald auf uns stürzen wird. Seid ihr darauf vorbereitet?“
Meine arme, gesetzesfürchtige Mutter wirkte gequält, als sie begriff, was da von ihr verlangt wurde. „Ja.“
„Ich auch“, fügte Mikhail hinzu.
Abe musterte uns alle. „Ich schätze, die Chancen könnten schlechter stehen.“
Er ging zu Nathan Ivashkov hinüber, der an seinem Podium lehnte. Der wirkte erschöpft und geschlagen – und absolut ratlos, was er mit dem Chaos vor sich anfangen sollte. Als wir näher herantraten, schauten die Kandidaten neugierig zu uns herüber, und ich spürte eine jähe, ruckartige Überraschung durch das Band. Lissa konnte die Geistzauber mühelos durchschauen. Ich spürte, wie ihr bei unserem Anblick der Atem stockte. Furcht, Schreck und Erleichterung wetteiferten miteinander. Und Verwirrung natürlich. Sie war so froh, uns zu sehen, dass sie die Wahlen vollkommen vergaß und schon Anstalten machte aufzustehen. Ich schüttelte hastig den Kopf, damit sie unsere Tarnung nicht auffliegen ließ, und nach einem kurzen Zögern setzte sie sich wieder hin. Sie war besorgt und verwirrt – aber sie vertraute mir.
Bei unserem Anblick erwachte Nathan zum Leben, vor allem, als Abe ihn einfach beiseiteschob und sich das Mikrofon schnappte. „He, was tun Sie .... “
Ich erwartete, dass Abe brüllen werde, die Leute im Saal sollten den Mund halten oder so was. Natürlich hatte Nathan das auch schon eine ganze Weile erfolglos versucht. Also war ich ziemlich schockiert – wie alle anderen auch –, als Abe die Finger an die Lippen legte und den schrillsten Pfiff ausstieß, den ich je gehört hatte. Ein solcher Pfiff durch ein Mikrofon? Ja! Mir taten die Ohren weh. Auf die Moroi musste es noch schlimmer wirken, und das Gejaule durch die Rückkopplung in den Lautsprechern machte die Sache auch nicht besser.
Dann wurde es still genug im Raum, dass Abe sich Gehör verschaffen konnte. „Da Sie jetzt genug Verstand haben, den Mund zu halten“, begann Abe, „haben wir .... einiges zu sagen.“ Er benutzte seine zuversichtliche, Ich-beherrsche-die-Welt-Stimme, aber ich wusste gleich, dass er so ziemlich auf Treu und Glauben handelte. „Macht schnell!“, murmelte er und hielt uns das Mikrofon hin.
Ich nahm es und räusperte mich. „Wir sind hier, um, ähm, diese Debatte ein und für alle Mal zu beenden.“ Diesen Worten folgte ärgerliches Raunen, und ich machte eilig weiter, bevor das Chaos erneut im Raum ausbrechen konnte. „Die Gesetze können bleiben, wie sie sind. Vasilisa Dragomir steht ihr Stimmrecht im Rat zu – und sie steht als vollwertige Kandidatin für den Thron zur Verfügung. Es gibt nämlich ein weiteres Mitglied in ihrer Familie. Also ist sie nicht die einzige
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