Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
Tashas Aufmerksamkeit zu erregen. Ich spürte all das so deutlich, als teilten wir denselben Körper. Noch bevor sie es tat, wusste ich, wohin sich Lissa bewegen würde.
„Tasha, bitte, tun Sie das nicht .... “
Lissa machte einen Satz nach vorn, und ihr Klageruf brach ab, als Mia nach Tasha trat, sich losriss und sich damit außer Reichweite der Pistole brachte. Tasha, an zwei Fronten aufgeschreckt, hatte noch immer ihre Pistole in der Hand. Da sie Mia verloren hatte und alles so schnell ging, feuerte Tasha hektisch zwei Schüsse auf die erste Bedrohung ab, die auf sie zukam – und das waren nicht die rasch heraneilenden Wächter. Es war eine schlanke Gestalt in Weiß, die Tasha etwas zugerufen hatte.
Oder, na ja, es wäre diese Gestalt gewesen. Wie ich schon sagte, ich hatte genau gewusst, wohin Lissa treten und was sie tun würde. Und in diesen kostbaren Sekunden, bevor sie handelte, riss ich mich von meinen Wärtern los und warf mich vor Lissa. Jemand sprang zwar hinter mir her, aber er kam zu spät. Das war genau der Moment, in dem Tashas Pistole losgegangen war. Ich verspürte einen Biss und ein Brennen in der Brust, und dann gab es bloß noch den Schmerz – einen Schmerz, der so groß und so stark war, dass er beinahe mein Verständnis überstieg.
Ich spürte mich fallen, spürte, wie Lissa mich auffing und etwas kreischte – vielleicht kreischte sie mich an, vielleicht auch jemand anders. Im Raum herrschte ein solcher Aufruhr, dass ich nicht wusste, was mit Tasha geschehen war. Da waren nur ich und der Schmerz, den mein Geist auszublenden versuchte. Die Welt schien immer leiser zu werden. Ich sah Lissa auf mich herabschauen, und sie rief etwas, das ich nicht hören konnte. Sie war schön. Brillant. Gekrönt von Licht .... aber da war auch Dunkelheit, die sich um sie herum schloss. Und in dieser Dunkelheit sah ich die Gesichter .... die Geister und Phantome, die mir immer folgten. Immer dichter wurden sie jetzt, immer näher kamen sie. Und winkten mich zu sich.
Eine Pistole. Ich war von einer Pistole besiegt worden. Fast schon komisch. Betrüger, dachte ich. Ich hatte mein halbes Leben damit verbracht, mich auf den Nahkampf zu konzentrieren und zu lernen, wie man Reißzähnen und machtvollen Händen ausweicht, die mir das Genick brechen könnten. Aber eine Pistole? Es war so .... na ja, so einfach eben. Sollte ich gekränkt sein? Ich wusste es nicht. Spielte es überhaupt eine Rolle? Auch das wusste ich nicht. In diesem Moment wusste ich nur, dass ich sterben würde, so oder so.
Meine Sehfähigkeit schwand immer weiter dahin, die Schwärze und die Geister rückten näher, und ich hätte schwören können, dass ich Roberts Stimme in meinem Ohr flüstern hörte: Die Welt der Toten wird Sie kein zweites Mal hergeben.
Kurz bevor das Licht völlig erlosch, sah ich noch Dimitris Gesicht neben Lissas auftauchen. Ich wollte lächeln. Dann fand ich aber, dass ich die Welt ruhig verlassen konnte, wenn die beiden Wesen, die ich am meisten liebte, in Sicherheit waren. Die Toten konnten mich endlich haben. Und ich hatte meine Aufgabe doch auch erfüllt, nicht wahr? Zu beschützen? Ich hatte es getan. Ich hatte Lissa gerettet, genauso wie ich es immer geschworen hatte. Ich starb in der Schlacht. Ohne offene Termine auf meinem Kalender.
Auf Lissas Gesicht glitzerten Tränen, und ich hoffte, dass mein Gesicht übermittelte, wie sehr ich sie liebte. Mit dem letzten Funken Leben, den ich in mir hatte, versuchte ich zu sprechen, versuchte, Dimitri wissen zu lassen, dass ich auch ihn liebte und dass jetzt er Lissa beschützen müsse. Ich glaube nicht, dass er mich verstand, aber die Worte des Wächtermantras waren mein letzter bewusster Gedanke.
Sie kommen zuerst.
34
Ich erwachte nicht in der Welt der Toten.
Ich erwachte nicht einmal in einem Krankenhaus oder in einem medizinischen Zentrum – was ich, das kann man mir getrost glauben, schon viele Male getan hatte. Nein, ich erwachte in purem Luxus, in einem riesigen Schlafzimmer mit vergoldeten Möbeln. War das der Himmel? Wahrscheinlich nicht, bei meinen Verhaltensweisen. Mein Himmelbett hatte eine rotgoldene Samtdecke, die dick genug war, um sogar eine Matratze abzugeben. Auf einem kleinen Tisch an der gegenüberliegenden Wand flackerten Kerzen und erfüllten den Raum mit dem Duft von Jasmin. Ich hatte keinen Schimmer, wo ich war oder wie ich hierhergekommen sein mochte, aber während meine letzten Erinnerungen an Schmerz und Dunkelheit wieder in mir
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