Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
festgenagelt hatte.
Durch die Wucht des Faustschlags knallte sein Kopf gegen den Wagen, aber er steckte den Hieb auf bewundernswerte Weise weg und drückte und schob mich prompt weg, um sich zu befreien. Er war stärker als ich, und ich geriet ein wenig ins Stolpern, aber nicht so sehr, dass ich das Gleichgewicht verloren hätte. Was mir an Kraft mangelte, machte ich durch Schnelligkeit wett. Ich wich jedem seiner Angriffsversuche aus, was jedoch kaum befriedigend war. Die dumme Alarmanlage jaulte noch immer, und sie würde sicherlich irgendwann die Aufmerksamkeit anderer Wächter oder menschlicher Behördenvertreter erregen.
Ich schoss um den Wagen herum, und der Dhampir jagte mir nach. Er blieb stehen, als wir einander gegenüberstanden. Es war, als spielten zwei Kinder Fangen. Wir ahmten die Bewegungen des jeweils anderen nach, während mein Widersacher vorauszusehen versuchte, welche Richtung ich nehmen würde. In der schwachen Beleuchtung entdeckte ich etwas Überraschendes, das in seinem Gürtel steckte: eine Pistole. Mir gefror das Blut in den Adern. Wächter wurden im Gebrauch von Pistolen ausgebildet, trugen jedoch selten welche bei sich. Pflöcke waren die Waffe unserer Wahl. Wir waren schließlich dazu da, Strigoi zu töten, und Pistolen waren da ineffektiv. Aber gegen mich? Ja. Eine Pistole vereinfachte seinen Job, aber ich hatte das Gefühl, dass er zögern würde, sie zu benutzen. Dass eine Alarmanlage losgegangen war, konnte man noch darauf schieben, dass jemand dem Wagen versehentlich zu nah gekommen war, aber ein Pistolenschuss? Das hätte einen Anruf bei der Polizei zur Folge. Dieser Mann würde nicht schießen, wenn er es irgendwie vermeiden konnte – aber er würde es tun, wenn ihm keine andere Wahl blieb. Das hier musste also bald zu einem Ende gebracht werden.
Schließlich trat ich zum Vorderteil des Autos. Der fremde Dhampir wollte mich abfangen, aber dann sprang ich – für ihn überraschend – auf die Motorhaube (denn ehrlich, inzwischen konnte der Alarm kaum noch lauter werden). Dadurch war ich für einen Sekundenbruchteil im Vorteil, sprang den Mann an und warf ihn zu Boden. Ich landete auf seinem Bauch und hielt ihn mit meinem ganzen Gewicht unten, während ich ihm die Hände um den Hals legte. Er wehrte sich, wollte mich abschütteln und hätte auch fast Erfolg damit gehabt. Schließlich gewann jedoch der Mangel an Luft Oberhand. Er regte sich nicht mehr und wurde bewusstlos. Ich ließ ihn los.
Für einen kurzen Augenblick blitzte die Erinnerung an unsere Flucht vom Hof in mir auf, als ich die gleiche Technik bei Meredith angewandt hatte. Ich sah sie wieder auf dem Boden liegen und verspürte die gleichen Gewissensbisse. Dann schüttelte ich diese Regung ab. Meredith war nichts passiert. Meredith war nicht einmal hier. Nichts davon spielte jetzt noch eine Rolle. Es zählte einzig und allein die Tatsache, dass dieser Bursche kampfunfähig war und dass ich von hier verschwinden musste. Sofort.
Ohne mich umzusehen, ob noch andere kamen, rannte ich quer über den Parkplatz auf das Kino zu. Sobald ich eine gewisse Entfernung zwischen mich und den heulenden Wagen gebracht hatte, blieb ich stehen und benutzte einen anderen Wagen als Deckung. Noch konnte ich niemanden in der Nähe des Mannes entdecken, aber im vorderen Bereich des Parkplatzes, in der Nähe des Einkaufszentrums, schien etwas los zu sein. Ich blieb nicht lange genug, um es mir genauer anzusehen. Was es auch war, für mich konnte es nichts Gutes bedeuten.
Zwei Minuten später erreichte ich das Kino, atemlos – allerdings eher aus Angst als vor Anstrengung. Ausdauer beim Laufen war etwas, das ich mir, Dimitri sei gedankt, wahrhaftig zugelegt hatte. Aber wo war Dimitri? Kinobesucher schlenderten umher, und einige von ihnen bedachten mich wegen meines zerrauften Zustands mit einem seltsamen Blick, während sie entweder in der Schlange vor der Kasse warteten oder über den Film diskutierten, den sie gerade gesehen hatten. Von Dimitri war nichts zu sehen.
Ich hatte keine Uhr. Wie viel Zeit mochte verstrichen sein, seit wir uns getrennt hatten? Gewiss keine halbe Stunde. Ich ging durch das Kino, wobei ich mich in der Menge verborgen hielt und nach irgendeinem Anzeichen von Dimitri oder weiteren Verfolgern Ausschau hielt. Nichts. Die Minuten tickten dahin. Unbehaglich griff ich in meine Tasche und berührte den Papierfetzen mit der Telefonnummer. Geh, hatte er mir befohlen. Geh und ruf die Nummer an. Natürlich hatte ich kein
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