Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
hatte sie wahrscheinlich die meisten Puzzleteile zusammengefügt – zumindest würde sie wissen, wer dahintersteckte.
Christian schenkte ihr das charmanteste Lächeln, das er aufbringen konnte. Er sah aus wie ein Kind, das einem Stubenarrest entgehen will. „Sie werden mittlerweile wissen, dass die Explosion nicht durch Magie verursacht wurde“, sagte er. „Die Wächter werden jeden Zoll dieser Statuen abgesucht haben.“ Er führte seine Überlegungen nicht näher aus, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit, aber Lissas Gedanken bewegten sich in die gleiche Richtung wie die seinen. Die Wächter würden inzwischen wissen, dass die Explosion nicht elementarer Natur gewesen war. Und selbst wenn meine Freunde die Hauptverdächtigen waren, würden die Behörden sich fragen müssen – genauso wie ich es getan hatte –, wie Teenager an C4 hätten herankommen sollen.
Lissa nickte zustimmend und legte ihre Hand auf Christians. „Wir werden das schon deichseln.“
Ihre Gedanken wanderten zu Dimitri und mir, und sie fragte sich, ob wir wohl plangemäß weggekommen waren. Sie konnte sich erst dann auf die Suche nach Tatianas Mörder konzentrieren, wenn sie wusste, dass wir in Sicherheit waren. Wie für mich hatte der Ausbruch auch für sie eine schwere Entscheidung bedeutet: Indem sie mich befreite, hatte sie mich in eine noch größere Gefahr gebracht, als sie mir hinter Gittern gedroht hätte. Sie war innerlich aufgewühlt, sie war gereizt und auch ein wenig wilder, als es mir lieb war. So viel Geist, begriff ich. Sie benutzt zu viel. In der Schule hatte sie sich noch beherrschen können, zunächst mit Medikamenten, dann durch Selbstkontrolle. Aber als unsere Situation zunehmend komplizierter wurde, hatte sie sich an irgendeinem Punkt gestattet, immer mehr Geist zu benutzen. In jüngster Zeit hatte sie dann erstaunliche Mengen eingesetzt, und wir hatten gelernt, das auch für selbstverständlich zu halten. Früher oder später würde Lissas Abhängigkeit von Geist sie noch einholen. Uns einholen.
„Prinzessin?“ Eine Tür, die sich Lissa gegenüber befand, öffnete sich, und ein Wächter spähte heraus. „Sie sind an der Reihe.“
Der Wächter trat beiseite, und Lissa hörte eine vertraute Stimme in dem Raum sagen: „Es war mir wie immer ein Vergnügen, mit Ihnen zu sprechen, Hans. Wir sollten das irgendwann wiederholen.“ Dann erschien Abe, der mit seinem gewohnten, wiegenden Gang herausstolziert kam. Er ging an dem Wächter in der Tür vorbei und schenkte Lissa und den Ozeras ein gewinnendes Grinsen, als wäre alles völlig in Ordnung. Ohne ein weiteres Wort schritt er an ihnen vorbei zum Ausgang hin.
Lissa hätte beinahe gegrinst, beherrschte sich jedoch und setzte eine ernste Miene auf, als sie und ihre Gefährten eintraten. Die Tür schloss sich hinter ihnen, und Lissa fand sich nun drei Wächtern gegenüber, die an einem Tisch saßen. Einen von ihnen hatte ich schon einmal gesehen, obwohl ich ihn nie kennengelernt hatte. Ich glaube, sein Nachname war Steele. Die beiden anderen kannte ich gut. Einer war Hans Croft, der die Arbeitsabläufe der Wächter bei Hofe koordinierte. Neben ihm saß – zu meinem Erstaunen – Alberta, zuständig für die Wächter und Novizen in St. Vladimir.
„Entzückend“, knurrte Hans. „Gleich ein ganzes Gefolge.“ Christian hatte darauf bestanden, anwesend zu sein, wenn Lissa befragt wurde, und Tasha hatte darauf bestanden, zusammen mit Christian anwesend zu sein. Wenn Abe den Zeitpunkt für das Verhör gekannt hätte, hätte er sich wahrscheinlich ebenfalls der Gruppe angeschlossen, zweifellos gefolgt von meiner Mutter .... Hans war nicht klar, dass er einer Hausparty entkommen war.
Lissa, Christian und Tasha nahmen gegenüber den Wächtern Platz. „Wächterin Petrov“, sagte Lissa, ohne Hans’ Missbilligung zur Kenntnis zu nehmen. „Was tun Sie denn hier?“
Alberta schenkte Lissa ein kleines Lächeln, benahm sich ansonsten aber ganz wie ein professioneller Wächter. „Ich war wegen des Begräbnisses hier, und Wächter Croft war der Ansicht, dass er für die Ermittlungen gern eine Meinung von außen hätte.“
„Und ich hätte gern jemanden, der mit Hathaway und ihren, ähm, Verbündeten vertraut ist“, fügte Hans hinzu. Hans war der Typ Mann, der immer gleich zur Sache kam. Im Allgemeinen nervte mich sein Verhalten – meine übliche Reaktion auf die meisten Autoritäten –, aber ich respektierte dennoch die Art, wie er die Arbeitsabläufe hier
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