Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
Strigoi.
Aber nein.
Auf einmal schlug ich wild um mich und versuchte mich loszureißen und unter ihm wegzukriechen. Dadurch erreichte ich allerdings bloß, dass ich mich auf den Rücken wälzen konnte, bevor er mich wieder zu fassen bekam. Ihm so nah zu sein .... Sein Gesicht, seine Lippen .... Die Wärme seiner Haut auf meiner. Na ja. Offenbar hatte ich mit meinem Manöver lediglich erreicht, dass ich noch weiter ins Hintertreffen geriet. Auf ihn zeigte die Nähe unserer Körper gewiss keine Wirkung. Er stellte seine für ihn so typische stählerne Entschlossenheit zur Schau. Und obwohl es dumm von mir war, obwohl ich wusste, dass es mir nichts mehr ausmachen sollte, wenn er über mir lag .... Na ja, es machte mir schon etwas aus.
„Ein einziger Tag“, sagte er. „Du kannst nicht mal einen einzigen Tag warten?“
„Vielleicht, wenn wir in ein schöneres Hotel gegangen wären. Mit Kabelfernsehen.“
„Dies ist jetzt keine Zeit für Witze, Rose.“
„Dann lass mich etwas tun. Irgendetwas.“
„Ich. Kann. Nicht.“
Es schmerzte ihn offensichtlich, das zu sagen, und da wurde mir etwas klar. Ich war so wütend auf ihn, so zornig darüber, dass er mich dazu zwingen wollte, herumzusitzen und auf Nummer sicher zu gehen. Aber ihm gefiel das alles ja auch nicht. Wie hatte ich nur vergessen können, wie sehr wir einander ähnelten? Wir sehnten uns doch beide nach Taten. Wir wollten beide nützlich sein und denen helfen, die uns am Herzen lagen. Es war nur seine Entschlossenheit, unbedingt Lissa zu helfen, die ihn noch hier bei seinem Babysitterjob hielt. Er behauptete zwar, es sei verwegen, dass ich zum königlichen Hof zurückehren wolle, aber ich hatte das Gefühl, dass er, wäre er nicht für mich verantwortlich gewesen – oder, na ja, würde er nicht glauben, dass er es wäre –, ebenfalls dorthin zurückgeeilt wäre.
Ich musterte ihn. Der entschlossene Ausdruck in seinen dunklen Augen wurde von dem braunen Haar, das aus seinem Haargummi entkommen war, etwas abgemildert. Es hing ihm jetzt ums Gesicht und berührte beinahe das meine. Ich könnte noch einmal versuchen, mich loszureißen, verlor jedoch die Hoffnung, dass mir dies auch gelingen würde. Er war zu wild entschlossen, mich zu beschützen. Ich vermutete auch, dass es nutzlos wäre, meinen Verdacht zu äußern, dass er selbst an den Hof zurückkehren wolle. Ob es nun stimmte oder nicht, er würde von mir erwarten, dass ich mit Roses Logik argumentierte. Schließlich war er Dimitri. Er würde alles erwarten.
Na ja, fast alles.
Eine Idee kam mir so blitzartig, dass ich nicht einmal innehielt, um sie zu analysieren. Ich handelte einfach. Mein Körper mochte festgehalten werden, aber Kopf und Hals hatten gerade genug Spielraum, um sich zu bewegen – und ihn zu küssen.
Meine Lippen trafen auf seine, und dabei erfuhr ich einige Dinge. Zum einen, dass es durchaus möglich war, ihn vollkommen zu überraschen. Sein Körper erstarrte, schockiert über die plötzliche Wendung der Ereignisse. Außerdem begriff ich, dass er genauso gut küsste, wie ich es in Erinnerung hatte. Bei unserem letzten Kuss war er noch ein Strigoi gewesen. Dieser Kuss war auf unheimliche Weise sexy gewesen, aber kein Vergleich mit der Hitze und der Energie eines lebenden Geschöpfs. Seine Lippen waren genauso, wie ich sie von unserer Zeit in St. Vladimir in Erinnerung hatte: weich und hungrig zugleich. Als er meinen Kuss erwiderte, war ich am ganzen Leib wie elektrisiert. Es wirkte ebenso tröstlich wie berauschend.
Und das war das Dritte, was ich entdeckte. Er erwiderte meinen Kuss. Vielleicht, nur vielleicht, war Dimitri doch nicht ganz so entschlossen, wie er zu sein behauptete. Vielleicht wollte er mich trotz all dieser Schuldgefühle und der Gewissheit, nie wieder lieben zu können, immer noch. Ich hätte es gern herausgefunden. Aber dazu blieb keine Zeit.
Stattdessen schlug ich zu.
Stimmt schon: Ich hatte bereits bei vielen Männern zugeschlagen, die mich geküsst hatten, aber niemals bei einem, der mich eigentlich weiterküssen sollte. Dimitri hielt mich noch immer mit festem Griff, aber der Schock über den Kuss hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Meine Faust schnellte vor und traf ihn seitlich am Gesicht. Ohne einen Herzschlag innezuhalten, schob ich ihn nun, so fest ich konnte, von mir und sprang vom Bett auf die Tür zu. Als ich sie aufriss, hörte ich, wie er sich hinter mir hochrappelte. Dann schoss ich aus dem Zimmer und schlug die Tür zu, bevor ich sehen
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